Rennleiter Axel Naglich will schon ein bisserl Action.

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Kitzbühel – Axel Naglich sitzt an seinem Schreibtisch und pflügt durch seine Mails. Auf einem seiner drei Bildschirme ist der Querschnitt eines Familienhauses zu sehen, das der Architekt plant – sofern zwischendurch Zeit bleibt, denn der Rennleiter hat diese Woche mehr als viel zu tun. "Was willst du wissen?", fragt Naglich und entschuldigt sich, weil er den Blick auf sein Handy gesenkt hat.

Was wurde am Hausberg getan, um Stürze wie jene von Aksel Lund Svindal oder Hannes Reichelt im Vorjahr zu vermeiden? Es sei einiges unternommen worden, sagt Naglich. So wurde etwa ein Flutlicht installiert, um die Wellen besser sichtbar zu machen. "Die Meinungen gehen auseinander, also probieren wir es. Die Sache hat aber einen Haken – funktioniert das, dann kommt dort und dort auch noch Flutlicht, und in ein paar Jahren ist das dann Standard. Aber es ist nicht so leicht finanzierbar." Kitzbühel könne sich das leisten, "aber irgendwann ist Schluss. Du musst den Sport in einer Dimension lassen, wo du sagen kannst, das geht noch irgendwie. Endausbaustufe wäre eine 3,5 Kilometer lange Halle mit Rennen unter Laborbedingungen."

Weg als Welle

Ein vermeintlich kleines Problem mit allerdings teils großen Auswirkungen stelle ein Weg dar, der im Sommer zu einem Bauern führt und die Strecke beim Hausberg quert. Dort entsteht auch nach Auffüllen mit Schnee eine leichte Welle, die sich während der Renntage durch Besichtigungen, also Querrutschen, Trainings und den Super-G laufend verändert und im vergangenen Jahr nicht nur Svindal zum Verhängnis wurde. Naglich: "Man sieht es kaum, aber natürlich schaut so eine kleine Welle bei hoher Geschwindigkeit je nach Schneelage unterschiedlich aus. Der Weg muss aber bleiben. Denn was käme als Nächstes? Sollen wir die Hausbergkante abgraben?"

Um den Veränderungen an dieser Stelle entgegenzuwirken, wird der Super-G am Freitag heuer anders gesteckt, werden nur die Läufer und ein Betreuer pro Team bei der Besichtigung auf die Strecke gelassen. Außerdem soll nicht wie früher reichlich Farbe zur Kennzeichnung der Wellen versprüht werden. "Das irritiert mehr, als es bringt."

Naglich betont, dass alles nur Mögliche für die Sicherheit der Fahrer getan werde. "Man denke an all die Sicherheitsvorkehrungen und Netze, das geht in die Millionen. Wir haben eine Freude mit dem Rennen und mit ein bisserl Action. Aber der Abfahrtsrennlauf ist gefährlich. Die Athleten wissen, was sie tun, keiner wird gezwungen, da runterzufahren. Alle wissen, dass es eine Gratwanderung ist, und zwar im Freien, abhängig von Wind und Wetter, auf einer im Detail sich permanent verändernden Strecke. Nur wer den richtigen Grat erwischt, der gewinnt."

Risiko auf der "geilen Strecke"

Die Kitzbüheler sind sich ihres Glücks bewusst. "Wir sind gesegnet, dass wir einen Berg haben, der so eine geile Strecke hergibt." Selbstverständlich fahre aber ein gewisses Risiko mit. "Der Reiz des Abfahrtssports ist Geschwindigkeit, gepaart mit der Tatsache, dass es nicht jeder kann, weil es nicht ganz ohne ist, wenn es dich mit 120 in die Botanik steckt", sagt Naglich. Man riskiere seine Gesundheit, aber nicht unbedingt sein Leben. "Lebensgefährlich ist der Skirennsport im ursächlichen Sinn nicht. Wenn man mit dem Rennrad mit 100 km/h eine Passstraße runterbrennt, kann man dreimal tot sein."

Mehr als ein bisserl hadert Naglich mit der heftigen Kritik nach den letztjährigen Horrorstürzen und der folgenden Suche nach Schuldigen. "Das finde ich entsetzlich. Unfälle sind meist Folge von mehreren Faktoren. Wenig Schnee ist ein Problem. Kommt der auch noch zu spät, dann bleibt wenig Zeit zur Präparierung. Wenn dann auch noch schlechte Sicht dazukommt und man die betreffende Passage nicht optimal fährt, dann kann schon etwas schiefgehen."

Weil es spannend ist

Soll man die Streif aber zwecks Steigerung der Sicherheit nicht doch ein wenig harmloser gestalten? "Wenn ich die Rennstrecke so weit entschärfe, dass nichts mehr passieren kann, dann ist das der falsche Weg. Warum boomt Extremsport so, dass es gerade so kracht? Weil in deinem ganzen Leben nichts mehr passiert, was irgendwie spannend ist."

Im Vorjahr ist das Rennen nach 30 Läufern abgebrochen worden. Eine Fehlentscheidung? "Ein heikles Thema, keine Frage. Wenn es nur einen Läufer mit höherer Startnummer und keinen Spitzenläufer reinhaut, dann sagen alle, ja eh klar, das ist die Streif, das schwierigste Rennen der Welt. Das ist die Scheinheiligkeit dabei." Ein Svindal habe gewusst, dass er oben nicht gut gefahren sei, und unten alles riskiert. "Wenn du dich auf das Spiel mit dem Feuer einlässt, musst du damit rechnen, dass du dich verbrennst", sagt Naglich, ehe er sich wieder dem Handy widmet. (Thomas Hirner, 17.1.2017)