Als Erwin Pröll bei der Pressekonferenz am Mittwoch Johanna Mikl-Leitners Schuhgröße verriet, wollte er den Unterschied zu den Ausmaßen seiner Fußstapfen herunterspielen – und damit kokettieren. Trotz großer Fußstapfen und anderer denkbarer Hürden für Mikl-Leitner gibt es für ÖVP-Funktionäre anderer Bundesländer viele Gründe, die Landeshauptfrau in spe um ihre neue Rolle zu beneiden. Sie übernimmt in einem Land das Ruder, in dem die Partei so gut dasteht wie sonst nirgends.

Die absolute Mehrheit, mit der die Volkspartei einzig in Niederösterreich noch regiert, ließ anderen Parteien dort wenig Luft zum Atmen und um sich zu entwickeln. Grüne und FPÖ erhielten bei Landtagswahlen bisher weniger Zustimmung als in anderen Bundesländern. Und die SPÖ sitzt – gemeinsam mit einem parteilosen Ex-Team-Stronach-Mann – aufgrund des Proporzes mit auf der Regierungsbank. Auf dieser lebt es sich derzeit anscheinend besser auf Kuschelkurs.

Allerdings ist der Wechsel an der VP-Spitze etwas, worauf die politischen Mitbewerber wahrlich lange warten mussten. Sie gaben sich am Mittwoch abwartend, werden bis zur nächsten Landtagswahl – plangemäß im Frühjahr 2018 – aber alle ihre Kräfte bündeln und es Mikl-Leitner so schwer wie möglich machen.

Worauf sich Niederösterreichs wohl erste Landeshauptfrau dann aber verlassen kann, ist eine hochprofessionelle Werbemaschinerie. Diese läuft bei Wahlkämpfen zur Höchstform auf, wird aber die Strategie ändern müssen. Denn Kampagnen waren so stark auf den "Landesvater" konzentriert, dass die Partei nur eine Nebenrolle spielte. Dass ein auf die Spitze getriebener Persönlichkeitswahlkampf mit Mikl-Leitner nach nur einem Jahr als Obfrau genauso aufgeht, ist unrealistisch.

Am Mittwoch betonten Mikl-Leitner und Pröll, wie gut sie einander ja kennen und wie intensiv Mikl-Leitner durch die Pröll-Schule gegangen sei. Gerade weil Prölls Politik so stark an seine Persönlichkeit gebunden war, muss Mikl-Leitner ihren eigenen Stil finden – und einen Weg, mit unschönen Ergebnissen der Pröll-Ära umzugehen. Die Investitionen ins Land haben eine Kehrseite, die in den nächsten Jahren sichtbarer und drängender wird.

Zwar wurden große Infrastruktur-, Kultur-, Umwelt- und Bildungsprojekte verwirklicht, also Autobahnen und Museen errichtet, alternative Energiequellen ausgebaut und Privatunis gegründet. Doch das alles hatte seinen Preis: Das Land hat fast zehn Milliarden Euro Schulden. Die Kinderbetreuung ist dennoch ziemlich schlecht aufgestellt. Beschlüsse fielen in geheimen Regierungssitzungen, die Kontrollaufgabe des Landtags erwies sich mehrmals – etwa bei der Veranlagung der Wohnbaugelder – als wirkungslos.

Gut möglich ist zudem, dass Dinge unter einem Mantel des Schweigens verschwanden, die nach einem Ende der Absoluten zutage kämen. All das lässt Prölls Vermächtnis weit weniger glänzen. (Gudrun Springer, 18.1.2017)