Wien – Über die Finanzen redet man in Niederösterreich nicht so gerne. Schon gar nicht über die Schattenseite des monetären Kartenhauses. Diese Erfahrung musste einst der Chef des damaligen Staatsschuldenausschusses Bernhard Felderer machen, als er die hohen Verbindlichkeiten unter der Enns thematisierte. 2009 führte er aus, dass Kärnten und Niederösterreich pro Kopf Spitzenreiter bei der Verschuldung seien (inklusive Gemeinden). Die Reaktion des damaligen Finanzlandesrats Wolfgang Sobotka: Die Aussagen seien "kreditschädigend".

An den Zahlen hat sich seither wenig geändert, außer, dass sie gestiegen sind. Der Schuldenstand des Landes beträgt mittlerweile mehr als 4,1 Milliarden Euro, inklusive anderer ausgegliederter Einheiten acht Milliarden Euro. Gemessen an der Einwohnerzahl liefert sich das Land ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Kärnten. Mit 6.000 Euro steht jeder Niederösterreicher in der Kreide. Zum Vergleich: Wien weist mit 4.000 Euro einen niedrigeren Wert auf.

Grafik: DER STANDARD

Hohe Frankenkreditbestände

Was die Hauptstadt mit ihrem Rundum-Nachbarbundesland gemein hat: Beide kämpfen mit hohen Frankenkreditbeständen. In Niederösterreich sitzt man auf 900 Millionen Euro Darlehen in Schweizer Währung. Doch der im Budget angegebene Wert hat mehr als einen Schönheitsfehler: Er wird zum Kurs der Schuldenaufnahme berechnet, wie Edith Goldeband, Direktorin des Landesrechnungshofs, im Gespräch mit dem Standard bestätigt. Wegen der Aufgabe der faktischen Bindung des Franken an den Euro 2015 hat die Schweizer Währung deutlich aufgewertet. Sowohl Niederösterreich als auch Wien müssen also deutlich mehr – derzeit fast 15 Prozent – zur Rückzahlung der Darlehen aufbringen als im Budget ausgewiesen ist. Allerdings hat Wien bei den Schulden schon auf den "echten" Frankenkurs umgestellt, weshalb der Außenstand in Schweizer Währung 2015 auf 1,84 Milliarden Euro hochschnellte.

Wien hat beschlossen, aus den Fremdwährungskrediten aussteigen zu wollen. Niederösterreich "rolliert" derweil noch: Sobald eine Anleihe ausläuft, wird dafür ein neuer Kredit in Schweizer Währung aufgenommen. Dass im Budget weiterhin mit Nominalwerten hantiert wird, ist laut Landesrechnungshof trotz der Reform des öffentlichen Rechnungswesens regelkonform. In die Finanzierungsrechnung des Landes fließt die Frankenaufwertung erst bei "Realisierung eines Verlusts" ein.

Geheimnisvolle Wohnbaudarlehen

Doch die Situation wird im Noch-Pröll-Land nicht nur wegen der höheren Pro-Kopf-Verschuldung kritischer gesehen als im Noch-Häupl-Land, sondern auch wegen eines anderen Postens: Während Wien über milliardenschwere Aktiva in Form von Wohnbaudarlehen verfügt, sind diese in Niederösterreich geheimnisvoll bis skandalträchtig. In drei Tranchen hat das Land Kreditforderungen von mehr als sieben Milliarden Euro versilbert. Das brachte zwar kurzfristig Geld, allerdings fehlen seither Einnahmen aus Zinszahlung und Tilgung.

Wolfgang Sobotka jonglierte mit Wohbaugeldern. Erwin Pröll (links) stand immer hinter dem damaligen Finanzlandesrat. Jetzt übernimmt Johanna Mikl-Leitner das Ruder.
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Dazu kommt: Ältere Wohnbaudarlehen sind trotz Begünstigung zum Teil recht gut verzinst – zumindest im Vergleich zur aktuellen Zinslage.

In Niederösterreich hat man für den Verkauf der Forderungen zu recht eigenwilligen Methoden gegriffen. Verkauft wurde die erste Tranche von gut vier Milliarden Euro nämlich über eine Gesellschaft namens Blue Danube Loan Funding. Diese gehört – wie an der Traisen ja nicht ganz unüblich – einer Wohnbaudarlehen-Privatstiftung, die wiederum von der landeseigenen Niederösterreichischen Hypo gestiftet wurde.

Versteckspiel via Stiftung

Die letztlich dem Land nahestehende Blue Danube hat – wirtschaftlich betrachtet – dem Land Forderungen abgekauft. Sie nahm dafür Schulden am Kapitalmarkt auf. Für die via Citigroup in Luxemburg begebene Anleihe haftet: das Land Niederösterreich.

Die Gebarung der Stiftung und ihrer diversen Fonds ist übrigens streng geheim. Bekannt ist, dass die Substanz aus dem einstigen Vermögen stark geschrumpft ist, wie der (Bundes-)Rechnungshof vor Jahren feststellte. Der Grund: Man peilte ursprünglich eine Rendite von fünf Prozent an, von der weit und breit nichts zu sehen ist. Die Verantwortlichen selbst sprechen von einer durchschnittlichen Rendite von gut zwei Prozent jährlich. Einsehbar sind die Veranlagungspositionen und der angebliche Ertrag aber nicht. (Andreas Schnauder, 19.1.2017)