Der Gründer des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, begrüßte die britische Premierministerin Theresa May mit den Worten: Er hoffe auf eine "freundschaftliche Scheidung". Gemeint war der Brexit, die Loslösung Großbritanniens von der EU. Mays Rede war in Davos mit großer Spannung erwartet worden, der Andrang im Saal war entsprechend. May stellte gleich zu Beginn klar, dass sie eine "schwierige Scheidung" erwarte und sich auf harte Verhandlungen mit der EU einstelle. Großbritannien strebe ein "mutiges und ambitioniertes Handelsabkommen mit der EU" an.

Zugleich wolle Großbritannien eine weltweite Führungsrolle als stärkster Fürsprecher freier Märkte und des Freihandels einnehmen. Ihr Land werde nun ein "wirklich globales Großbritannien". Sie wandte sich direkt an die anwesenden Konzernlenker: "Großbritannien ist und bleibt ein offenes Land für die Wirtschaft." Sie fügte noch "auch für Investitionen, für Universitäten" hinzu. Großbritannien habe sich immer wieder jenseits Europas umgeschaut. Als sie versicherte, Großbritannien werde "ein selbstsicheres Land sein, das sein Schicksal wieder in eigene Hand nimmt", gab es vereinzelt Lacher im Saal.

Davon ließ sich die starr vom Blatt ablesende May nicht beirren, die damit einen Kontrast zu ihrem Vorgänger David Cameron bildete, der in Davos frei und auf der großen Bühne herumwandernd gesprochen hatte. Die Suche nach der neuen Rolle würde manchmal auch zu Unsicherheit führen, warnte sie gleichzeitig. Aber man sei den Bürgern verpflichtet.

May sprach auch den wachsenden Populismus von links und rechts an, die aus der derzeitigen Phase der Unsicherheit Nutzen ziehen würden. Gegen Ende gab die Tory-Chefin auch preis, was sie unter Konservativismus versteht: "Veränderung, um bewahren zu können." Anschließend gab es nur verhaltenen Beifall.

Heftige Reaktionen

Heftig war anschließend die Reaktion auf der gleichen Bühne. "Großbritannien hat eine Entscheidung getroffen, Migration zu kontrollieren. Sie sind bereit, einen Preis zu zahlen, aber das hat auch Folgen für den Rest Europas. Das wird Auswirkungen auf die Wachstumsraten haben", sagte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte. Er attackierte dann Frankreich und Italien und forderte diese Länder zur Einhaltung des EU-Stabilitäts- und Wachstumspakts auf. "Frankreich und Italien müssen Reformen umsetzen. Zu viele Länder vor allem in Südeuropa tun nicht, was sie versprochen haben." Dies führe zu Misstrauen zwischen nord- und südeuropäischen Staaten.

Sein Landsmann, EU-Vizekommissionspräsident Frans Timmermans, konterte: "Das sind Lügen", sagte er über das Bild, dass jene im Süden arbeitsscheu seien und die im Norden anderen ihr Modell aufzwingen wollten. Aber Timmermans stimmte Rutte zu, dass die EU mehr pragmatische Lösungen liefern müsse.

Rutte warf dem gerade als EU-Parlamentspräsident abgetretenen Martin Schulz dann vor, dieser leiste mit seinem "romantischen Geschichtsbild" einen Beitrag dazu, die EU zu demontieren. Diese Auseinandersetzung über den künftigen Kurs der EU wollten aber weitaus weniger hören als Mays Rede.

Schäuble gegen "Bestrafung"

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble sprach sich in Davos bei einer Diskussion am späteren Nachmittag gegen eine "Bestrafung" Großbritanniens für den EU-Austritt des Landes aus. Der Schaden durch den Brexit müsse für beide Seiten begrenzt werden – für Großbritannien und die EU. Das von May angestrebte Handelsabkommen mit der EU werde sehr schwierig und dauern. Schäuble warnte vor Muskelspielen: "Wir sollten einander nicht drohen, bevor die Verhandlungen starten." (Alexandra Föderl-Schmid aus Davos, 19.1.2017)