SPÖ-Chef Christian Kern und Parteimanager Georg Niedermühlbichler: Für die Partei soll es ein neues Programm und eine neue Struktur geben. Die Vorarbeiten dauern länger als erwartet.

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Maria Maltschnig, neue Direktorin des Renner-Instituts, sucht eine andere Flughöhe: Das Parteiprogramm soll mutiger werden.

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Viel Papier, wenig Programmatisches: Josef Cap hat lange an einem Parteiprogramm gearbeitet, für Kern ist der Entwurf zu schwammig.

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Pensionistenverbands-Chef Karl Blecha war mit Cap federführend an den Vorarbeiten beteiligt, ein tauglicher Entwurf liegt allerdings nicht vor.

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Wien – Der Parteitag der SPÖ war für 12. und 13. Mai in Graz geplant. Und soll nun abgesagt werden, wie der STANDARD aus informierten Kreisen erfahren hat. Ein entsprechender Beschluss soll beim Parteivorstand am Freitag in Wien gefasst werden. Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern und Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler rechnen offenbar mit einer breiten Zustimmung der roten Spitzenfunktionäre. Die Gründe für die Absage: Das neue Parteiprogramm, an dem seit 2014 gearbeitet wird und das im Mai beschlossen werden sollte, ist bei weitem nicht fertig. Auch die neue Organisationsstruktur für die SPÖ steht nicht.

Josef Cap, stellvertretender Klubchef im Parlament, und Karl Blecha, Präsident des SPÖ-Pensionistenverbands, waren mit der Ausarbeitung eines Parteiprogramms für die SPÖ beauftragt. Was sie vorgelegt haben, stieß beim neuen Parteichef Kern nicht auf Zustimmung. Er fand das Konzept zu mutlos, zu wenig progressiv und zu schwammig. Parteiinsider berichten davon, dass sich das Konzept eher wie eine Grundlage für ein neues Koalitionsübereinkommen lese und zu wenig programmatisch sei. Das liegt auch an den Vorgaben von Kerns Vorgänger Werner Faymann, der ein Programm wollte, das umsetzbar ist. Kern hingegen will über den Tag – und die Legislaturperiode – hinausdenken und die SPÖ klarer positionieren.

Plan A statt Parteitag

Letztendlich liegt kein brauchbarer Entwurf vor, mit dem in der Partei ein Diskussionsprozess eingeleitet werden könnte. Daher brauche es auch keinen Parteitag. Abgesehen davon spielten auch die Kosten eine Rolle. Für die Vorbereitung und Umsetzung waren etwa 400.000 Euro veranschlagt. Ohne Chance auf die Abstimmung über ein Parteiprogramm mache das keinen Sinn mehr. Stattdessen soll es alternativ eine weitere Plan-A-Veranstaltung geben, bei der Kern seine Pläne auch in Graz noch einmal zur Diskussion stellt.

Historischer Ablauf

Der neue Zeitplan: Bis spätestens April soll Maria Maltschnig, die neue Leiterin des Renner-Instituts, ein Positionspapier für ein Parteiprogramm vorlegen, dieses soll in der Partei dann breit diskutiert werden. Im Herbst soll es einen fertigen Entwurf geben, der dann einer Mitgliederbefragung unterzogen wird. Beschlossen werden soll das Parteiprogramm 2018, was auch im historischen Ablauf gut passen wurde. Das letzte Parteiprogramm der SPÖ war 1998 beschlossen worden, das davor 1978. Das wären jeweils Schritte von 20 Jahren.

Was derzeit an Vorarbeiten durch Cap und Blecha vorliegt, ist ein Konvolut an Papieren und Thesen. In der Vorbereitung haben sich vor allem die Wiener SPÖ und der Bund Sozialdemokratischer Akademiker (BSA) engagiert, in Arbeitsgruppen haben sich einzelne Abgeordnete, die Kinderfreunde und die Jugendorganisationen eingebracht. Von der täglichen Turnstunde über Tierschutz bis zum Arbeitsmarkt kommt vieles vor, Grundsätzliches ist weitgehend ausgespart. Für Kern geht es um die "Flughöhe". Was auf dem Tisch liegt, gehört für ihn eher in ein Wahlprogramm oder in den Plan A, nicht aber in ein Parteiprogramm.

Neues Konzept

Maltschnig ist seit Oktober Direktorin des Renner-Instituts und soll die Parteiakademie in Richtung eines roten Thinktanks ausbauen. Ihre erste wesentliche Aufgabe ist es, eine Struktur in das Parteiprogramm zu bringen. Sie will die bisherigen Vorschläge auf grundlegende Themen fokussieren, wie sie im Gespräch mit dem STANDARD erzählt. Fünf bis sieben große Themenblöcke sollen es werden, nicht der ganze Bauchladen an Ideen, die zu konkreten Maßnahmen herumschwirren. Als Beispiele nennt sie Kapitel zur Arbeitswelt, wo auch auf die Digitalisierung eingegangen werden soll, zur Zukunft des Sozialstaats und zur wirtschaftlichen Entwicklung, damit verbunden natürlich die Gerechtigkeitsfrage.

"Ein wesentlicher Punkt ist die ungleiche Verteilung von Vermögen", sagt sie. "Wie scharf das dann formuliert sein wird, werden wir noch diskutieren." In welcher Form Vermögenssteuern angesprochen werden, sei offen, klar sei jedenfalls, dass die Vermögensverteilung angesprochen werden müsse. Maltschnig: "Wir müssen uns gut überlegen, für wen wir Politik machen, wer denn die Leute sind, die wir vertreten."

Mutig und programmatisch

Von Kern habe sie keine konkreten Vorgaben mit einer Liste von Themen bekommen, lediglich die Aufforderung, mutig zu sein und programmatisch zu arbeiten. Eine klare sozialdemokratische Handschrift müsse erkennbar sein. Maltschnig: "Die Welt hat sich in den vergangenen 20 Jahren dramatisch verändert, wir hatten eine Finanz- und Wirtschaftskrise und mussten den Siegeszug des Neoliberalismus mit seinen Auswirkungen erleben. Darauf müssen wir Antworten finden und diese formulieren."

Zu wenig E-Mail-Adressen

Was die neue Organisationsstruktur betrifft, ist Parteimanager Niedermühlbichler gefragt. Er soll in Kerns Auftrag die SPÖ öffnen, erneuern und verjüngen. Der Entwurf für das neue Parteiprogramm soll breit gestreut werden und stellt Niedermühlbichler – Stichwort Digitalisierung – vor ein Problem. Er braucht einen direkten Kontakt zu den Parteimitgliedern. Bei der Mitgliederbefragung zu Ceta zeigte sich: Die Parteizentrale hatte nur von einem Bruchteil der knapp 200.000 SPÖ-Mitglieder eine E-Mail-Adresse. (Michael Völker, 19.1.2017)