Der folgenschwerste Angriff in einem Zug im Vorjahr: In Vorarlberg erlitten zwei Männer Stichverletzungen.

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Wien – Am Mittwoch bestieg ein Niederösterreicher ohne Ticket einen Zug nach Zell am See, wurde prompt erwischt, und die vom Schaffner gerufene Polizei leitete den unkooperativen Schwarzfahrer weg. Zwei Stunden später erkannte ihn derselbe Schaffner auf einem Bahnsteig im Pinzgau wieder und verweigerte ihm den Einstieg; der 45-Jährige konnte erneut keine Fahrkarte vorweisen. Daraufhin trat der Schwarzfahrer dem Schaffner gegen das Schienbein und fügte ihm eine Prellung zu.

Solche Fälle mehrten sich im Vorjahr: 240 ÖBB-Mitarbeiter wurden 2016 Opfer tätlicher Übergriffe, im Jahr davor waren es noch 122. Es ist allerdings nicht unüblich, dass die bei jährlich über 450 Millionen Bus- und Zugpassagieren vergleichsweise geringe Zahl von Jahr zu Jahr stark schwankt – zwischen 2011 und 2012 sank sie etwa von 193 auf 104.

Zurück ging im Vorjahr die Zahl der bestohlenen Fahrgäste. 2.257 Meldungen stehen 2.508 im Jahr 2015 gegenüber. Die Zwischenfälle unter Passagieren blieben mit 17 im vergangenen Jahr relativ konstant. 2015 waren es 15, 2012 noch 27. Laut ÖBB handelte es sich "größtenteils um verbale Auseinandersetzungen", der schwerste Angriff war die Messerattacke eines 60-jährigen Deutschen in einem Zug in Vorarlberg im August mit zwei Verletzten.

Nur wenige fühlen sich unsicher

Gleichzeitig zeigt eine neue Ifes-Umfrage unter 600 ÖBB-Kunden, dass sich 78 Prozent der Bahnfahrer sicher oder sehr sicher fühlen, nur vier Prozent wenig bis gar nicht. 56 Prozent der Fahrgäste bewerten Bahnhöfe als sehr sicher oder sicher, auch hier waren die "Wenig sicher"- und "Nicht sicher"-Stimmen mit 12 Prozent in der Minderheit.

Obwohl die Zahlen nicht alarmieren, investieren die ÖBB massiv in die Sicherheit. 25 Millionen Euro sollen "für Service und Sicherheit" in die Hand genommen werden, gab der Konzern am Donnerstag bekannt. Das Geld sei jedenfalls besser "investiert als in die eine oder andere Stiftung eines Landes", konnte sich Betriebsratsvorsitzender und Vida-Gewerkschafter Roman Hebenstreit einen Seitenhieb auf die Dr.-Erwin-Pröll-Privatstiftung nicht verkneifen.

Mit dem Geld wird unter anderem das 490-köpfige Security-Team bis 2018 um 250 bis 300 Mitarbeiter aufgestockt, 130 weitere Stellen werden beim eigentlichen Zugpersonal neu besetzt. Die Sicherheitskräfte sollen vor allem in den Abendstunden in Zügen ohne reguläre Zugbegleiter – sogenannten 0/0-Zügen – und auf Bahnhöfen patrouillieren. Diese Maßnahme solle aber "kein Ersatz für polizeiliche Maßnahmen" sein, sagte ÖBB-Vorstandschef Andreas Matthä. Die Exekutive soll im Gegenteil sogar stärker bemüht werden: Eine laufende Kooperationsvereinbarung zwischen ÖBB und Innenministerium wird auch 2017 fortgesetzt, und Streifen der Bereitschaftspolizei werden künftig forciert in S-Bahn-Zügen der Ostregion und stark frequentierten Fernverkehrszügen eingesetzt.

Überwachungskameras gegen "Angsträume"

Mehr als 300 der als "Angsträume" bezeichneten Flächen sollen zudem durch Beleuchtung und Videoüberwachung entschärft werden. Dafür stellt das Verkehrsministerium 1,3 Millionen Euro ab. Bereits heute zeichnen 6.200 Überwachungskameras die Bewegungen der Fahrgäste auf. Laut Beantwortung einer von der FPÖ gestellten parlamentarischen Anfrage durch Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) konnten allerdings 2016 insgesamt 21 Datenträger wegen technischer Mängel nicht gesichtet werden.

Kameras tragen ÖBB-Sicherheitskräfte bereits seit Dezember auch am Körper. 50 Mitarbeiter sind an den Hauptbahnhöfen in Wien und Graz mit Bodycams unterwegs. Der Probebetrieb soll laut Informationen von Donnerstag ausgeweitet werden. (Michael Matzenberger, 19.1.2017)