
Unterstützer tanzen während einer Aktion zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens in der Schweiz. Die Initiative wurde fast genau ein Jahr vor jener für ein Volksbegehren in Österreich gestartet.
Wien – Träumer, Utopisten, Sozialromantiker oder einfach nur Faulenzer. Die Initiatoren der Volksabstimmung über ein bedingungsloses Grundeinkommen in der Schweiz mussten sich allerhand Vorwürfe anhören. Monat für Monat 2.500 Franken (2.325 Euro) vom Staat für alle Bürger, ohne Gegenleistung oder andere Bedingungen – das klang in den Ohren der Eidgenossen doch zu realitätsfremd. Das Vorhaben erlitt im vergangenen Juni an der Urne Schiffbruch, bloß 23 Prozent der Schweizer stimmten dafür.
Aber manche Niederlagen fühlen sich wie Siege an – schließlich hatten die Initiatoren nur 15 Prozent Zuspruch erwartet. Einer davon ist der deutsche Künstler Enno Schmidt, der zusammen mit dem Verein Generation Grundeinkommen versucht, in Österreich ein diesbezügliches Volksbegehren auf Schiene zu bekommen. Vereinsobmann Helmo Pape ist der Ansicht, dass der Zeitpunkt dafür ein günstiger ist: "Es ist überall in Europa zu merken, dass über das Thema diskutiert wird", erklärte er vor der Auftaktveranstaltung am Donnerstag in Wien.
Tatsächlich, im niederländischen Utrecht läuft seit dem Vorjahr ein Experiment, durch das 300 Menschen rund 1.000 Euro im Monat erhalten und seit Anfang Jänner steigt auch in Finnland ein Testballon. Anstelle von Arbeitslosengeld bekommen 2.000 zufällig ausgewählte Arbeitslose 560 Euro im Monat. Das Geld muss nicht versteuert werden, und man kann ohne finanzielle Nachteile etwas dazuverdienen.
Wie hoch die staatlichen Zuwendungen in Österreich ausfallen sollen, will Vereinsobmann Pape nicht beziffern, sondern definieren: "Es soll so hoch sein, dass man davon einfach, aber mit Menschenwürde leben kann." Was er von dem finnischen Modell hält? "Es ist ein wichtiger Versuch, aber nicht bedingungslos." Nur zufällig ausgewählte Menschen kämen zum Zug, und das nur für begrenzte Zeit, lautet Papes Begründung.
Streitpunkt Finanzierung
Eine der offenen Fragen ist die Finanzierung. Teuer, aber machbar, meint Florian Wakolbinger von der Innsbrucker Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung. Er hat im Vorjahr den Schweizer Vorschlag auf Österreich umgemünzt und nach Kaufkraftparität durchgerechnet. Kostenpunkt: 27 Milliarden Euro jährlich. Aufgrund des tieferen Preisniveaus kam Wakolbinger für Österreich auf 1.362 Euro für Erwachsene und 340 Euro für Kinder.
"Natürlich gab es viele kritische Fragen, auch zur Finanzierbarkeit", sagt Sylvia Nagl von der Grünen Wirtschaft Oberösterreich, die am Mittwochabend in Linz eine eigene Veranstaltung zu dem Thema durchführte. Mittlerweile würde der Konsens, dass man das derzeitige, durch Steuern auf Arbeit finanzierte Sozialsystem überdenken müsse, immer breiter, fügt Nagl hinzu. Bedenken, dass bei einer Einführung keiner mehr arbeiten gehen würde, zerstreut sie mit einer Umfrage unter den Veranstaltungsteilnehmern: "Von hundert Menschen haben nur zwei aufgezeigt und gemeint, sie würden dann aufhören."
Vielmehr wird das bedingungslose Grundeinkommen deshalb mit zunehmender Intensität diskutiert, da Experten befürchten, dass im Zeitalter von Automatisierung und künstlicher Intelligenz von Maschinen diese immer größere Teile der Arbeitswelt übernehmen werden. Sprich: Es wird nicht mehr genug Jobs für alle Menschen geben. Trotzdem brauchen diese Geld zum Leben und um die Wirtschaft mit ihren Ausgaben zu speisen. "Wir müssen Antworten finden auf das Problem, dass Menschen angesichts der Automatisierung weniger arbeiten können", fasst Sabine Jungwirth, Bundessprecherin der Grünen Wirtschaft, zusammen.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist allerdings nicht in jedermanns Ohr die Lösung – und das keineswegs nur bei vielen Mainstream-Ökonomen. Arbeitgeber befürchten etwa eine Machtverschiebung zu den Beschäftigten, und selbst Gewerkschafter können sich nicht so recht dafür begeistern. Wohl wäre eine Umsetzung im Sinne der Arbeitnehmer, jedoch würde es auch deren Vertretungen weitgehend überflüssig machen.
Zuerst gilt es aber ohnedies jene 8.500 Unterstützungserklärungen über die Homepage des Vereins zusammenzubekommen, damit das Volksbegehren in Österreich gestartet werden kann. Ob die Grüne Wirtschaft die Grundeinkommensinitiative aktiv unterstützen wird, lässt Jungwirth offen. Man werde sich das anschauen – zunächst bei der Auftaktveranstaltung in Wien. (Regina Bruckner, Alexander Hahn, 19.1.2017)