Es sind rotzige Zeiten, wenn das Immunsystem gegen Schnupfenviren ins Feld zieht.

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Karin Pollack muss sich mit Gesundheit beschäftigen. Das bringt ihr Beruf mit sich. Manchmal ist sie selbst krank. Das ist dann besonders interessant.

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Die Menschen denken oft, dass sie die Krone der Schöpfung sind und so gut wie alles im Griff haben. Dazu gehört die Illusion, auch krankmachende Viren und Bakterien meiden zu können. Ich wünschte, es wäre so, ich bin ein Fan von Kontrolle, aber in Sachen Krankheitsvermeidung bin ich fatalistisch. Gegen die Grippe bin ich geimpft, das gibt mir ein Gefühl von Sicherheit, aber bei allen anderen Mikroorganismen in und um uns sehe ich mich als Teil der unbarmherzigen Natur. Jedenfalls habe ich mir trotz täglich frisch gepressten Orangensafts (Vitamin C), häufigen Händewaschens (Viren abspülen) und eines Schals vor dem Mund in der U-Bahn unlängst einen Mordstrumm-Schnupfen eingefangen. Keine Ahnung, woher.

Schnupfen wird durch verschiedene Viren ausgelöst und hat eine Reihe von Spielarten. Mein Schnupfen war von Niesattacken flankiert – jedes einzelne Mal eine Art von Explosion –, die morgens um vier begannen, in Abständen von drei bis vier Stunden wiederkehrten und jedes Mal von Rotzkaskaden beendet wurden. Der Rotz, sagte ich mir bei jedem einzelnen Schneuzen, transportiert die Krankmacher nach draußen.

Gefühlt war es aber vier Tage lang so, als ob jemand in meinem Naseninneren mit einer Feder säße und dort die Schleimproduktion anregte. Der Körper ist eine irre Maschine: Er kann Unmengen von Flüssigkeit produzieren und durch die Nase nach außen leiten. Unlängst auf einer Konferenz hörte ich einen Vortrag darüber, dass Forscher mit Schnupfenviren Krebs bekämpfen wollen, weil Schnupfenviren das Immunsystem ganz wunderbar stimulieren. Diese kraftvolle Reaktion habe ich in voller Wucht erlebt und glaube, dass an diesem Forschungsprojekt (Schnupfenviren gegen Krebs) wirklich was dran sein könnte.

Ist Schnupfen eine Krankheit?

Gut an meinem Schnupfenvirus war, dass er sich auf die Nase beschränkte, sich also weder in die Lungen noch sonstwohin ausbreitete. Null Husten, null Fieber, null Kopfweh. Schlecht daran: Soll man dann ins Büro gehen und die Kollegen den Niesattacken und damit den Schnupfenviren aussetzen? Schließlich weiß ich, dass Partikel mit bis zu 300 km/h aus dem Mund katapultiert werden.

Ich habe mich also bei jedem Niesen hinter meinem Bildschirm verschanzt und die angerotzten Taschentücher immer gleich in den Mistkübel geschmissen. Pro Tag habe ich bis zu fünf Packungen (à zehn Stück) verbraucht (danke an die Kollegen, die mir ihre Vorräte überlassen haben). Tröstlich war dabei, dass es in einem Diskontsupermarkt bei mir um die Ecke derzeit eine Taschentücher-Edition gibt, auf der Tiere im Winter abgebildet sind: eine Packung Eichhörnchen, eine Packung Hirsch, eine Packung Husky. Sie waren schnell durch, und meine Augen tränten.

Nach zwei Tagen waren dann auch die Lippen wund und die Haut rund um die Nase rot, schuppig und geschunden. Ohne Lippenpomade, großzügig aufgetragen, ging gar nichts mehr. Nach drei Tagen im Rhythmus "niesen, schnäuzen, einschmieren" war ich mürbe und suchte schließlich Hilfe in der Apotheke. "Das müssen wir von innen bekämpfen", sagt die Apothekerin und gab mir eine Packung Boxagrippal und ein Nasenspray.

Wie gewonnen, so zerronnen

Das Erstaunliche: Eine einzige Tablette reichte aus, und die Niesattacken waren weg, der Schnupfen versiegte, und meine Augen tränten nicht mehr. Ich frage mich jetzt natürlich, ob die Medikamenteneinnahme und das natürliche Schnupfenende einfach nur zusammengefallen sind. Ich werde es nie wissen. Bei einem parallel verschnupften Freund hatte genau dieses Medikament jedenfalls gar keine Wirkung.

Sicher bin ich, dass die Lippen einen Tag lang brauchten, um nicht mehr wund zu sein, die Haut um die Nase sich in 48 Stunden regenerierte und nach vier Tagen wieder alles so war, wie es sein sollte. Weil ich die Taschentücher mit den Wintertieren im Vorrat gebunkerte habe, bleibe ich auf ihnen sitzen. Sie sind zu meinen ständigen Begleitern geworden. Der nächste Schnupfen kommt bestimmt. (Karin Pollack, 5.2.2017)