Der Terrorverdächtige wurde in der Rotenhofgasse am Freitag, 20. Jänner 2017 in Wien-Favoriten festgenommen.

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Wien – Der mit einer Festnahme am Samstag möglicherweise verhinderte Terroranschlag in Wien könnte kurz bevorgestanden sein. Es gebe "Hinweise, dass ein solcher Anschlag sehr zeitnah geplant" war, erklärte der Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit im Innenministerium, Konrad Kogler, am Samstagfrüh im Ö1-Morgenjournal. Eine Bombe in der U-Bahn in Wien sei "eines der möglichen Szenarien gewesen", so Kogler.

In den vergangenen Stunden seien mehrere Hausdurchsuchungen in Wien und Niederösterreich durchgeführt worden, heißt es aus dem Innenministerium. Dabei seien Ausrüstungsgegenstände wie Mobiltelefone sichergestellt worden, die nun ausgewertet werden müssten. Weitere Hausdurchsuchungen und Festnahmen seien möglich, das hänge aber von den Erkenntnissen durch die Auswertungen und die Einvernahme des Verdächtigen ab, so Generaldirektor Kogler.

"Es gibt auch laufende Vernehmungen von Bezugspersonen", sagte Ministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck. Sowohl für die Auswertung der Aussagen als auch des bei den Hausdurchsuchungen beschlagnahmten Materials sei umfangreiche Detailarbeit notwendig, die entsprechend Zeit in Anspruch nehme.

Vernehmungen von Bezugspersonen

Ob der Verdächtige Kontakte ins Ausland gehabt habe, wollte er mit Hinweis auf die laufenden Ermittlungen nicht sagen. "Es gibt auch laufende Vernehmungen von Bezugspersonen", sagte Grundböck am Samstag.

Zugriff in der Rotenhofgasse

Der Terrorverdächtige ist am Freitagabend in Wien festgenommen worden. "Es haben sich in den vergangenen Tagen Hinweise auf einen geplanten Anschlag in der Bundeshauptstadt verdichtet", sagte Pressesprechen Thomas Keiblinger. Gegen 18.00 Uhr sei der Zugriff in der Rotenhofgasse in Wien-Favoriten erfolgt.

Ausländische Geheimdienste sollen die heimischen Behörden über einen möglichen Sprengstoffanschlag informiert haben. Die "Krone" zitierte aus einem internen Papier des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), in dem es heißt, dass "eine Gruppierung albanisch-stämmiger, radikaler Islamisten einen Terroranschlag in Wien in der Zeit zwischen 15. und 30. Jänner 2017 planen soll".

Der Verdächtige wurde laut Polizei bereits überwacht und in seiner Wiener Wohnung von der Spezialeinheit Cobra überwältigt. "Polizei, Verfassungsschutz und Cobra haben eng zusammengearbeitet", betonte Keiblinger.

Polizei warnt Bevölkerung

Die Polizei richtete eine Warnung an die Bevölkerung. Vor allem an stark frequentierten Orten möge man aufmerksam sein. Bei Sichtung von zurückgelassenen Gegenstände wie Gepäckstücken solle die Polizei verständigt werden. Dass der festgenommene Verdächtige in Deutschland bereits einen Sprengsatz gebaut haben soll, wurde vorerst nicht bestätigt.

Bei einer noch am Abend einberufenen Pressekonferenz sagte Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP), dass es gelungen sei, "einen potenziellen Anschlag in Wien zu verhindern". Heimische Politiker, allen voran Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP), bedankten sich auf Twitter für einen "exzellenten Polizeieinsatz".

18-Jähriger mit Migrationshintergrund

Laut Sobotka handelt es sich bei dem Verdächtigen um einen 18-jährigen Österreicher mit Migrationshintergrund. Er sei kein Jihad-Heimkehrer – und es liege möglicherweise ein radikal-religiöser, salafistischer Hintergrund vor, sagte der Innenministerin der "ZiB 2". Es gebe Anhaltspunkte, "dass ein etwas größeres Rahmenwerk dahintersteht".

Darüberhinaus blieben aber viele Fragen zunächst offen. Er wolle laufende Ermittlungen nicht durch Preisgabe von vorzeitigen Ergebnissen gefährden, sagte Sobotka in Richtung "Kronen Zeitung", die nur eine halbe Stunde nach dem Zugriff mit der Meldung hinausgegangen war und mögliche Komplizen gewarnt haben könnte.

290 "Foreign Fighters" in Österreich

Die Terrorgefahr in Österreich ist in den letzten Tagen und Wochen nicht gestiegen, europaweit sei sie freilich wegen der Schwäche des IS im Nahen Osten seit längerem größer. Die Festnahme des Terrorverdächtigen gestern in Wien zeige, dass die Behörden funktionieren, betonte der Politikwissenschafter Thomas Schmidinger am Samstag. Er mahnte zu besonnener Reaktion auf solche Vorfälle.

"Die Bedrohung insbesondere durch salafistisch-jihadistische Täter" habe sich in den letzten Jahren erhöht, heißt es im aktuellen, österreichischen Sicherheitsbericht. Die Zahl der sogenannten Foreign Fighters in Österreich wird vom Innenministerium mit 290 angegeben. 85 davon seien gehindert worden, aus Österreich auszureisen um in den Jihad zu ziehen. Weitere 51 befänden sich derzeit als Rückkehrer im Inland und stünden unter Beobachtung. (Michael Simoner, APA, 20.1.2017)