Natürlich sei Donald Trump kein neuer Hitler. Aber es gebe "oberflächliche Übereinstimmungen" mit dessen Aufstieg in den 30er-Jahren. Dies sagte Timothy Snyder, Autor des Bestsellers Bloodlands über die Auswirkungen von Hitler und Stalin sowie Fellow des Wiener Instituts für die Wissenschaften vom Menschen (IWM), in einem Interview mit der Zeitung Die Welt.

In dem noch vor der Inauguration publizierten Text argumentiert Snyder, es habe noch nie einen US-Präsidentschaftskandidaten gegeben, der medial derart geschickt agiert hätte. Ähnlich wie Hitler.

Eine "tiefere Übereinstimmung" sei jedoch, meint Snyder, "die Überzeugung eines Anführers, dass die Wahrheit völlig irrelevant ist, dass das, was man redet, nur von den Gefühlen, nicht von den Fakten bestimmt sein sollte".

Düsteres Bild

Diese Linie, die amerikanische Realität der Rhetorik des Präsidenten anzupassen und nicht umgekehrt, bestätigte sich in der Antrittsrede Trumps. Er malte ein düsteres Bild mit geschlossenen Fabriken und verwüsteten Städten und machte dafür das Ausland verantwortlich.

In der religiös aufgeladenen Kampfpredigt kamen weder Demokratie noch Menschenrechte vor. Dem "Patriotismus" huldigte sie, den es zu verteidigen gelte. Bis aufs Blut. Trump schrammte knapp an nationalsozialistischen Ideen vorbei. Von Recep Tayyip Erdogans Vokabular trennte ihn kaum noch etwas. Wladimir Putin wirkt dagegen wie ein Kreide-Millionär. Dieser Mann meint es ernst.

"Politische Muster"

Dürfe man, fragt Die Welt, Hitler und Trump überhaupt "in einem Atemzug nennen", wie Snyder es in einem Artikel des Magazins Slate getan hat? Hitler sei ein Monster gewesen, habe Millionen Menschen umgebracht, Trump habe bis jetzt lediglich "hässliche Reden" gehalten. Das stimme, antwortet Snyder, aber es gehe um "politische Muster". 1932 sei Hitler noch nicht der gewesen, als den wir ihn verachten. Aber "man sollte sich bemühen, Ereignissen zuvorzukommen, bevor sie passieren".

In dieses diktatorische Muster passt auch Trumps pathetische Ansage, die Macht werde von Washington abgezogen und "dem Volk übergeben". Damit hat ein Präsident, der keine Mehrheit nach europäischen Abstimmungsregeln hat, den existierenden demokratischen Institutionen das Recht abgesprochen, im Namen ebendieses "Volkes" politische Entscheidungen zu treffen.

Kalter Krieg

Das (allerdings verfassungsgemäße) Dekret zur Abschaffung von "Obamacare", noch am Freitagabend unterzeichnet, ist ein Hinweis auf die wahren Ziele von Trumps politischer Reise. Er wird, wo immer es geht, unter Umgehung des US-Kongresses per Dekret regieren, um jene Wirklichkeit zu schaffen, von der er spricht.

Trumps Chefstratege Stephen Bannon hat dem Hollywood Reporter gesagt, die politischen Dinge müssten wieder so aufregend werden wie in der Welt der Dreißigerjahre. Wer denkt da nicht an die Nazizeit? Oder an Mussolini? Trump umarmen, wie Jean-Claude Juncker meinte, wird nicht funktionieren. Es droht ein Kalter Krieg – zwischen den USA und dem Rest der Welt. (Gerfried Sperl, 22.1.2017)