Wenn man die ganze vom Größenwahn geprägte, rabulistische Inaugurationsrede Donald Trumps, des 45. Präsidenten der USA, in der Live-Übertragung gehört hat, ist es verständlich, dass sein Auftritt international Furcht und Fassungslosigkeit und im eigenen Land wütende Massendemonstrationen ausgelöst hat. Wie ein linksextremer Agitator verurteilte der Immobilienmilliardär (mit einem eigenen Vermögen von 3,7 Milliarden Dollar) eine "kleine Gruppe in der Hauptstadt", die zu lange von der Regierung profitiert und das Volk die Kosten habe tragen lassen. Aber heute "geben wir die Macht an euch, das Volk, zurück ...Von nun an wird eine neue Vision unser Land regieren. Vom heutigen Tag gilt es: Amerika zuerst." Das sagte fast mit revolutionärem Pathos jener Trump, der laut dem Magazin Forbes das wohlhabendste Kabinett in der amerikanischen Geschichte mit einem Gesamtwert von 4,5 Milliarden Dollar ernannt hat. Der künftige Finanzminister, ein Investmentbanker, soll übrigens Vermögenswerte von 100 Millionen Dollar an Offshore-Firmen auf den Cayman Islands verschwiegen haben.

Die großsprecherische Heuchelei – ohne ein Zeichen von Demut oder Mäßigung – bildete den rhetorischen Hintergrund zur tiefen Spaltung der US-Gesellschaft und zu den größten Massenprotesten der letzten Jahre von Washington bis Los Angeles und Denver gegen den "Trumpismus". Dass aber Trump durch einen unberechen- baren und zügellosen nationalistischen Kurs, durch Abschottung und Isolationismus nicht nur Amerika, sondern auch die Existenz der EU, die Prosperität, den Frieden und die Freiheit Europas gefährden könnte, liegt auf der Hand. Er will "Amerika wieder groß machen" durch einen "regime change", durch die Absage an die Globalisierung, an den freien Warenverkehr.

Für Donald Trump soll Amerika eine Festung des ökonomischen Nationalismus mit dem Slogan "Amerika zuerst" sein. Man soll sich keine Illusionen über den künftigen Widerstand im Kongress oder die Wirkung des kritischen Echos im Ausland machen. Das einzige außenpolitische Thema in seiner Rede war "die vollständige Ausmerzung des islamischen Terrorismus", möglicherweise in Zusammenarbeit mit dem von ihm geschätzten starken Mann Russlands, Präsident Wladimir Putin, der als erster Staatschef in der Kampagne lobende Worte für den Kandidaten Trump gefunden hatte. Kein Wunder, dass die Balten, die Ukrainer und auch die Polen infolge des Abseitsstehens der bisherigen Schutzmacht ihrer Sicherheit und der liberalen Weltordnung Angst um ihre Zukunft haben. Signalisierte doch Trump mehrmals, dass alles infrage steht: Leitbilder, Verträge, Bündnisse.

Es gibt gerade deshalb auch Jubel für den Nationalpopulismus des neuen US-Präsidenten. Die Wortführer der rechtsradikalen Populisten von Marine Le Pen bis zu dem Holländer Geert Wilders und zur AfD-Chefin Frauke Petry, sekundiert von italienischen und österreichischen Parteifreunden, bejubelten bei ihrem Kongress in Koblenz Trumps Nationalismus ebenso wie die Medien Putins und des Ungarn Viktor Orbán, der sich im vergangenen Sommer als erster EU-Regierungschef voll für die Abschottungspolitik Trumps ausgesprochen hatte. (Paul Lendvai, 23.1.2017)