Wien – Die Berlinale wird Reda Kateb am 9. Februar als passionierter Jazzgitarrist Django Reinhardt im Biopic Django eröffnen. Der französische Schauspieler mit dem einprägsamen Gesicht und dem Silberblick, der schon in Kathryn Bigelows Zero Dark Thirty und an der Seite von Viggo Mortensen in Den Menschen so fern zu sehen war, wählt seine Arbeiten besonders sorgfältig aus.

In Peter Handkes "Die schönen Tage von Aranjuez" – verfilmt von Wim Wenders – haben er (Reda Kateb, re.) und sie (Sophie Semin) einander auch einmal nichts zu sagen.
Foto: Polyfilm

In Wim Wenders' Peter-Handke-Adaption Die schönen Tage von Aranjuez ist er an der Seite von Sophie Semin, der Frau des Autors, als sanftmütiger Fragensteller zu erleben. Wenders, der Handke seit den 1960er-Jahren kennt, hat einen filmischen Themenpark um das Reich des Dichters entworfen, voller bedeutungsvoller Requisiten, rauschenden Blattwerks in 3-D – und mit Kurzbesuch von Rockbarde Nick Cave.

STANDARD: "Die schönen Tage von Aranjuez" ist weniger Drama als tänzerische Konversation. Worauf achtet man da bei seiner Figur?

Kateb: Das erste Gebot war, "Schauspielen" im gängigen Sinn zu vermeiden. Der Text ist selbst so stark, so ungewöhnlich und poetisch. Jemand hat zu mir bei der Premiere gesagt, der Text sei der zentrale Charakter. Der Begriff Tanz trifft es auch, denn es ist wie ein Spiel um einen Moment außerhalb von Zeit und Raum. Zwei Figuren, die durch die Natur um sie herum geschützt sind. Das hat etwas Wahrhaftiges. Durch das 3-D des Films wird die Rolle der Natur noch bedeutsamer.

STANDARD: Dennoch ist es für diesen Mann und diese Frau schwierig, einander zu verstehen ...

Kateb: Ja, es ist schwierig für zwei so unterschiedliche Planeten, sich zu verständigen. Wie beim Tanz ist der Augenblick, in dem der Dialog gelingt, auch schon wieder verschwunden. Ich wusste nicht, wie ich das spielen sollte. Als wir mit den Proben begannen, schwanden aber die Fragen.

STANDARD: Der Mann ist im Stück ja derjenige, der die Fragen stellt. Er lenkt die Geschichte, sie weigert sich, sie auszufüllen. Wie betrachten Sie die Motivation Ihrer Figur?

Kateb: Ich glaube, es fällt beiden schwer, über sich selbst zu sprechen. Ein wenig ist es wie bei der Erde und dem Wind: Er möchte wissen, wer, wann, wie und wo – sie antwortet darauf auf eine intime, offene Weise. Der Mann ist jedoch scheu, was die Preisgabe seiner eigenen Gefühle betrifft. Er versucht darüber zu sprechen, wenn er über die Gärten spricht. Weil er ihr nicht dazu verhelfen kann, sich besser zu fühlen, ist er auch etwas verzweifelt.

STANDARD: Zum Tanz gehört Choreografie. Wenders hatte den Film sehr präzise geplant. Wie denn?

Kateb: Die Charaktere bewegen sich ja kaum, mal abgesehen davon, dass sie den Sessel verrücken. Eigentlich tanzt die Kamera um Sophie und mich herum – wie also das Auge selbst. Und auch die Sprache, aber das habe ich selbst erst erkannt, als ich den Film sah. Er gibt dem Zuschauer große Freiheit, man wird von diesem Text nicht eingekerkert.

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STANDARD: War das Ihr erster Kontakt mit einem Handke-Stück?

Kateb: Ich habe vor zehn Jahren am Theater schon in einer Inszenierung von Über die Dörfer gespielt. Ich verbrachte einen ganzen Monat an einem Tisch, um in den Text einzutauchen.

STANDARD: Haben Sie Handke nun getroffen? Im Film ist er ja als Gärtner zu sehen.

Kateb: Ja, ich habe ihn kennengelernt. Wir hatten ein kurzes Gespräch, einen schönen Moment gemeinsam. Allerdings haben wir gar nicht über die Arbeit geredet.

STANDARD: Ich frage auch, weil der Film ja wie die Verbeugung vor einem alten Freund wirkt. Viele Dinge haben direkt mit dem Autor zu tun. Die Musik, die Jukebox, die Räumlichkeiten ...

Kateb: Ich hatte das Gefühl, dass der Film Teil einer langen Reise ist, die die beiden vor langer Zeit begonnen hatten. Für Sophie war es natürlich auch sehr persönlich, während ich mir wie ein Gast vorgekommen bin. Ich spürte diese Nähe, aber niemand hat sie mir erklärt. Wir waren die Figuren, und Wim war der Maler.

STANDARD: Wie meinen Sie das?

Kateb: Der Ausschnitt, die Kadrierung war sehr wichtig, der Wechsel der Perspektiven. Der Ort ist für mich selbst wie ein Gemälde – man probiert diese Farbe und jene aus ... Was den Rhythmus betrifft, kommt etwas Musikalisches hinzu. Man verlangsamt etwas, macht Pausen. Es ging nie um Psychologisches.

STANDARD: Kennen Sie andere Adaptionen? Luc Bondy hat das Stück inszeniert und anders als Wenders viele Ideen hinzugefügt.

Kateb: Nein, ich fühle mich auch Wims Blickweise näher. Das ist eine glückliche Kontingenz. Oft wirken Regisseure, die ihre eigenen Ideen einfließen lassen, wie Parasiten. Wim arbeitete werktreu und frei zugleich. Das Wunderbare an ihm ist, dass er keine Filme macht, um etwas zu beweisen.

STANDARD: Ist das für Sie wichtig – nicht zu überambitioniert zu sein?

Kateb: Ja, minimalistisch, japanisch in gewisser Weise. Das 3-D hält auch mehr Details in der Mimik fest. Je länger ich diesen Beruf ausübe, desto mehr bin ich überzeugt, dass Intentionen wie Gift wirken. Es ist interessant, dass man gerade als junger Schauspieler so druckvoll und voller Leidenschaft zu spielen versucht. Nun dosiere ich das immer mehr, zwischen vollen und ganz entleerten Einheiten.

STANDARD: Sie haben bereits mit acht Jahren gespielt – Ihr Vater war Schauspieler in Algerien ...

Kateb: Ja, mein Vater war Schauspieler, mein Großonkel Schriftsteller. Aber ich trage das nicht auf meinen Schultern. Für mich bedeutet dieser Beruf die Möglichkeit, frei zu sein. Ich kann die Filme machen, die ich machen will. Und dort sein, wo ich sein will.

STANDARD: Handke schrieb das Stück, als er 70 war, wohl auch als eine Art Rückschau auf sein Konzept der Liebe, des Begehrens. Sehen Sie es als Stück eines Mannes aus einer bestimmten Generation?

Kateb: Nein, ich finde, es ist universell, deshalb kann man auch heute diesen Film machen. Das Stück ist sehr gegenwärtig. Zugleich ist es freilich ganz außerhalb der Zeit. (Dominik Kamalzadeh, 25.1.2017)