Die Sprache, die Eltern mit ihrem Kind verwenden, wird seine Sprache werden. Je achtsamer man damit umgeht, desto besser kann man den Spracherwerb des Nachwuchses begleiten.

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Wer die Beziehung zu seinem Kind reflektiert, der denkt darüber nach. Man versucht, möglichst einen Blick von außen darauf zu werfen, um Klarheit zu bekommen. Reflektieren bedeutet auch Zurückwerfen, ein Bild zurückwerfen – so wie es ein Spiegel mit uns tut. Eltern sehen sich oft gespiegelt in ihren Kindern. Sie erkennen Gesten, Ausdrücke und so manchen Tonfall wieder.

Man muss kein Psychologe sein, um zu wissen, dass wir als Eltern unseren Kindern die Erziehung vorleben und sie von uns das aufnehmen, was sie täglich mit uns erleben. Auch in der sprachlichen Entwicklung ist es so. Kinder orientieren sich an den Sprachgewohnheiten und Praktiken ihrer Eltern.

Sprachliche Vorbilder

Mutter und Vater sind die ersten und anfangs wichtigsten sprachlichen Vorbilder. Das Kind hängt voller Hingabe an den Lippen der Eltern und lauscht der Stimme, die ihm so vertraut ist. Und so entwickelt sich Stück für Stück seine Sprache. In manchen Fällen, wenn es zwei davon gibt oder gar drei, entwickeln sich gleichzeitig mehrere Sprachen. Dadurch entsteht eine Fülle von sprachlichen Möglichkeiten für das Kind – aber auch für die Eltern.

Vor allem in der vorsprachlichen Zeit passen Eltern intuitiv den Sprachstil den Bedürfnissen des Kindes an. Mit dem Baby sprechen sie anders als mit dem älteren Geschwisterchen oder mit einem Schulkind. Das Baby reagiert auf eine hohe Stimme mit Aufmerksamkeit, während es eine sanfte monotone Stimmlage als beruhigend empfindet. Mit Kleinkindern betonen wir viel, wiederholen und setzen die wichtigste Information ans Ende des Satzes. Und all das passiert intuitiv, dafür hat die Evolution gesorgt.

Lernen vom Kind

Wenn es um die Sprache geht, die wir mit Kindern verwenden – die Inhalte, den Wortschatz –, lässt die Natur uns alleine den für uns "richtigen" Weg zu finden. Wie sehr Kinder darauf achten, wie wir mit ihnen sprechen, ist mir in einem Gespräch mit meiner Tochter wieder bewusst geworden.

Spreche ich mit ihr Deutsch, achte ich sehr darauf zu gendern. Ich sage zum Bespiel "deine Freundinnen und Freunde" und nicht einfach "Freunde". Oder ich spreche von "Partnerinnen", wenn sowieso kein Mann dabei ist. Sprache macht Wirklichkeit, und es ist mir wichtig, die Frau in meinem Kind zu stärken, auch durch meine Sprache. Im Bulgarischen hingegen wird viel weniger gegendert. Und so habe ich in einem Gespräch zu meiner Tochter auf Bulgarisch gesagt: "Die Pädagogen in deinem Kindergarten ..." Ich verwendete die verallgemeinernde Funktion des Maskulinums. Sie sah mich misstrauisch an. Zuerst dachte ich, sie weiß nicht, was das Wort bedeutet. Dann korrigierte sie mich: "Pädagoginnen meinst du doch, Mama. Es sind alle Frauen." Und ich war dankbar, von meiner Vierjährigen zu lernen, achtsamer zu sein. Die Geister, die ich rief, will ich gar nicht mehr loswerden.

Abwechslungsreiche Wortwahl

Wir formen mit unserer Sprache also auch maßgeblich die Wahrnehmung unserer Kinder auf die Welt und geben ihnen das Werkzeug dafür, das Wahrgenommene weiterzuentwickeln und zu formen. Gerade bilinguale Kinder haben besonders viele Werkzeuge zur Verfügung, die sie von der einen Sprache in die andere übertragen können. Das Wunderbare ist, dass es ganz unbewusst und ohne Anstrengung für das Kind passiert. Wenn wir auf eine abwechslungsreiche Wortwahl achten, so öffnen wir unserem Kind weitere Fenster in die Welt. Und "ins Gespräch kommen" meint dabei, wahres Interesse an seinen Aussagen zu zeigen, nachzufragen, ehrlich zuzuhören, ihm an den Lippen zu hängen, so wie man es damals als Baby selbst getan hat.

Die Sprache, die wir mit unserem Kind verwenden, wird seine Sprache werden. Je achtsamer wir damit umgehen, desto besser können wir seinen Spracherwerb begleiten. Kinder wollen mit uns im Dialog sein.

Eltern fragen mich oft, was sie tun können, damit ihr Kind sich gut in zwei Sprachen entwickelt, damit es nicht verwirrt ist und keine der beiden Sprachen ablehnt. Mein Rat: am besten bei sich selbst beginnen. Auf die eigene Sprache, eine sorgsame Kommunikation achten und auch darauf, welche Sprachgewohnheit man dem Kind vorlebt. Denn wer dem Kind beim Sprechen genau zuhört, wird viel über dessen Spracherwerb erfahren. (Zwetelina Ortega, 24.1.2017)