Mirjana Lucic-Baroni: "Ich habe nicht mal zu träumen gewagt, dass ich noch einmal so zurückkomme."

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19 Jahre nach ihrem ersten Sieg in Melbourne läuft es für die Wimbledon-Halbfinalistin von 1999 heuer in Australien wie am Schnürchen.

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Melbourne – Mirjana Lučić-Baroni kramte einen Rosenkranz aus ihrer Schlägertasche hervor und hängte sich den Glücksbringer hektisch um den Hals. "In dem Moment", verriet die Sensations-Halbfinalistin von Melbourne später, "habe ich gefühlt, dass nur Gott mir helfen kann".

Die Weltranglisten-79. brachte ein letztes Mal ihr Aufschlagspiel durch – und sank nach dem 6:4, 3:6, 6:4 gegen US-Open-Finalistin Karolina Pliskova (Tschechin) am Mittwoch im Viertelfinale der Australian Open völlig fassungslos auf die Knie.

Für die 34-jährige Lučić-Baroni, in Dortmund geboren und einst als Tennis-Wunderkind gepriesen, war es mehr als ein Sieg. Mehr als der erste Halbfinaleinzug bei einem Grand-Slam-Turnier seit 18 Jahren. So viel mehr – in ihrer zweiten Karriere nach dem Trip durch die Hölle zurück in den Tennis-Himmel. "Diese Tage hier machen alles Schlechte, was mir im Leben zugestoßen ist, wieder gut", sagte die Kroatin mit tränenerstickter Stimme.

Flucht vor gewalttätigem Vater

Das Schlechte hatte sie eigentlich schon Ende der Neunziger Jahre hinter sich gelassen, als sie mit ihrer Mutter Andelka und den vier Geschwistern vor ihrem gewalttätigen Vater Marinko gedemütigt in die USA floh.

Hinter ihr lag "die Hölle", wie Lučić-Baroni einmal erzählte: "Die Qualen, die ich erlebt habe, wünsche ich nicht einmal meinem schlimmsten Feind." Auch in dieser Zeit half ihr der Glauben. "Ich habe Gott darum gebeten, dass ich mich von meinem Vater befreie und er uns endlich in Ruhe lässt."

Dabei schien Lučić-Baroni, die im Halbfinale am Donnerstag auf die US-Amerikanerin Serena Williams (6:2, 6:3 gegen die Britin Johanna Konta) trifft, schon früh die Tennis-Welt zu Füßen zu liegen. Mit 15 Jahren gewann sie an der Seite von Martina Hingis den Doppel-Titel bei den Australian Open. Nur anderthalb Jahre später unterlag sie 1999 im Halbfinale von Wimbledon einer gewissen Steffi Graf. Und die Deutsche stellte danach anerkennend fest: "Mirjana ist schon weiter, als ich es in ihrem Alter war."

Doch hinter verschlossenen Türen regierte der Terror im Hause Lucic. "Das waren mehr Schläge als sich irgendjemand vorstellen kann", hat sie einmal über die Ausraster ihres tyrannischen Vaters gesagt, der ihr auch einen Teil ihres Preisgelds gestohlen haben soll.

Darüber reden möchte die mit ihrem italienischen Ehemann Daniele in Bradenton/Flordia lebende Lucic-Baroni in den Tagen ihrer sportlichen Wiedergeburt nicht. Vielleicht werde sie irgendwann alles in einem Buch aufschreiben. Aber eigentlich wolle sie einfach nur als "eine große Kämpferin" in Erinnerung bleiben, die sich gegen "alle Widerstände" durchgesetzt habe.

Auch ihre nächste Gegnerin Serena Williams ist "beeindruckt von dieser wunderbaren Geschichte, die mich sehr inspiriert." Von Anfang 2003 bis Mitte 2010 hatte Lucic-Baroni wegen ihrer gesundheitlichen Probleme an keinem Grand-Slam-Event teilgenommen und zwischen 2004 und 2006 nur zwei kleine Turniere gespielt.

Im kanadischen Quebec City hatte die 1,81 Meter große Kroatin 2014 erstmals nach ihrer Pause und nach 16 Jahren wieder ein WTA-Turnier gewonnen. Eine solch große Zeitspanne zwischen zwei Einzel-Titeln hatte es auf der WTA-Tour bislang noch nie gegeben.

Am meisten hat Lucic-Baroni Spaß daran, die vielen Zweifler eines Besseren belehrt zu haben. "Ich jedenfalls habe tief im Innersten gespürt, dass ich es noch drauf habe", sagte sie seelig – und schob demütig hinterher: "Gott ist gut."

Dimitrow und Nadal im Halbfinale

Seit Mittwochmittag stehen auch die Halbfinali bei den Herren fest. Nach dem Bulgaren Grigor Dimitrow (15), der den belgischen Thiem-Bezwinger David Goffin (11) mit 6:3, 6:2, 6:4 ausschaltete, schaffte es auch der Spanier Rafael Nadal (9) mit einem 6:4, 7:6 (7), 6:4 in der Nightsession gegen den Kanadier Milos Raonic (3) erstmals seit den French Open 2014 in ein Halbfinale eines Grand-Slam-Turniers.

Dort stehen sich ab Donnerstag somit Roger Federer (SUI/17) und Stan Wawrinka (SUI/4) sowie Nadal und Dimitrow gegenüber. Das zweite Halbfinale bei den Frauen bestreiten die US-Amerikanerinnen Coco Vandeweghe und Venus Williams (13).

"Ich musste sehr fokussiert sein mit meinem Aufschlag", sagte Nadal nach seinem starken Auftritt. "Ich wusste, ich muss mein bestes Tennis spielen, wenn ich eine Chance haben will." Er zog die Lehren aus seiner Niederlage gegen Raonic am Dreikönigstag im Brisbane-Viertelfinale. "Ich wollte aggressiver sein, mehr reingehen. Ich habe gekämpft, daran geglaubt, bin immer auf den nächsten Punkt gegangen", meinte der Mallorquiner zu seinem Match-Plan. Gegen Dimitrow hat er allein das jüngste von acht bisherigen Duellen verloren. Allerdings: der Bulgare ist 2017 immer noch ungeschlagen. (sid, APA, red, 25.1.2017)