Jost Lübben, Chefredakteur der Regionalzeitung "Westfalenpost".

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Daniela Kraus, Geschäftsführerin des fjum_forum journalismus und medien wien.

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Wien – "Audience Engagement" – die Beteiligung des Publikums – hat nicht zwangsläufig mit Social Media, Algorithmen und der komplexen Analyse von Daten zu tun. Für Aufsehen sorgt derzeit ein anschauliches Audience-Projekt aus dem deutschen Südwestfalen. Jost Lübben, Chefredakteur der Regionalzeitung "Westfalenpost" ("WP"), startete vor zwei Jahren ein Leuchtturmprojekt, das regionale Themen mit analogen und digitalen Zugängen verbindet. Das Ziel: die Lebensqualität in der Region zu verbessern.

Begonnen hat alles, als Lübben in der Stadt Hagen – hier hat die "WP" ihren Sitz – eine Wohnung für sich suchte. Das war eigentlich nicht schwer. Doch fast alle Immobilienmakler, mit denen Lübben zu tun hatte, rieten ihm hinter vorgehaltener Hand von einer Wohnung in Hagen ab. "Ich wollte wissen, warum es diese Ablehnung gibt. Also starteten wir bei der 'WP' ein crossmediales Projekt, um genau dieser Frage auf den Grund zu gehen und die Lebensqualität in der Stadt darzustellen und im Idealfall zu verbessern."

Lokale Bevölkerung gefragt

In der gedruckten Zeitung und über die Social-Media-Kanäle wurde unter dem Titel "Was braucht Hagen?" die lokale Bevölkerung gefragt, was passieren muss, damit die 190.000-Einwohner-Stadt wieder lebenswerter wird. Vorgeschlagen wurden die Themen Verkehr, Wohnungsmarkt und Integration, am Ende entschieden sich die Leser für zwölf. "Wir bekamen mehrere hundert Antworten, die Leute hatten hier das Gefühl, dass sie die Themen bestimmen und nicht wir als Zeitung – das ist für mich entscheidend bei Audience-Engagement-Projekten", sagt Lübben. Und: "Die Menschen merken, dass wir uns mit solchen Projekten tatsächlich für die Region starkmachen – sie spüren, dass es einen Grund gibt, warum wir als Zeitung existieren. Wichtig ist auch, diese Debatte zu steuern, statt sie durch vorgegebene Meinungselemente zu führen."

Die Ideen und Einsendungen wurden schließlich der regionalen Politik präsentiert. Das hat Wirkung gezeigt: In einem nächsten Schritt werden zumindest drei Wünsche durch konkrete Reformvorhaben von der Lokalpolitik aufgegriffen. "Das Projekt kam deswegen so gut an, weil das ein sehr lebensnahes Thema war, das viele in der Stadt betrifft und interessiert", resümiert Lübben, der zum Abschluss des Fjum-Lehrgangs "Lernlabor Audience Engagement" zu einem Impulsvortrag nach Wien kam.

Auf Wien übertragen?

Ließe sich dieses Projekt, das zuletzt mit dem deutschen Lokaljournalistenpreis ausgezeichnet wurde, auf die österreichische Bundeshauptstadt mit der Frage "Was braucht Wien" anwenden? Jost Lübben: "Grundsätzlich ja. Sie brauchen dafür ein Medium, das regional sehr viel Einfluss hat, um so etwas zu starten. Und es soll sich am Ende tatsächlich etwas verändern – vielleicht wäre so etwas in kleineren Städten oder auf Bezirksebene leichter zu bewerkstelligen." (Daniela Kraus, 26.1.2017)