Der 57-jährige US-Songwriter Mark Eitzel gilt als einer der großen Schmerzensmänner des Erwachsenenpop. Sein neues von Bernard Butler produziertes Soloalbum "Hey Mr Ferryman" wird Eitzel am 17. Februar im Wiener Fluc auch live präsentieren.

Foto: Mark Holthusen

Wien – Einer der traurigsten Songs über das Dasein als Musiker wird diesen Freitag von Mark Eitzel veröffentlicht werden. Er nennt sich The Road und geistert schon einige Jahre im Liveprogramm des US-amerikanischen Songwriters in unterschiedlichen Textfassungen herum. Daran erkennt man nicht nur, dass sich das Thema eventuell als unangenehm und/oder schwierig erweist. Man ahnt bei so einem Leben im Tourbus statt im Privatjet auch, dass man erstens davon mehr als ein Lied singen könnte. Zweitens kann sozusagen nach jedem Auftritt eine weitere Katastrophe im großen Buch der kleinen Sorgen aufgezeichnet werden.

Mark Eitzel ist von jeher der vor allem von Bob Dylans Interpretation bekannte Man of Constant Sorrow aus dem gleichnamigen US-Traditional. Im neuesten Kapitel seiner eigenen Chronik des Schief- und Niedergangs, The Road, heißt es nun eingangs: "We're on a drive that's never over / To play for a barman and his hateful brother / Who sit at the bar not even trying / It's that kind of night when no one's buying."

Mark Eitzel live mit "The Road".
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Und weiter geht es dann mit Gewinnen und Verlieren – und warum das egal ist – sowie der Niederlage als ideellem Sieg und damit, dass Mark Eitzel – alter Trick der Publikumsvereinnahmung – plötzlich als "Wir" im Plural Musiksoldaten sind. Wir alle glauben demnach immer noch daran, dass es der Krieg wert ist, seine Freunde zu verlassen. Die Straße hört niemals auf: "And we know / There's no end / To the road."

Plattitüde und Schallplatte

Gegen Cormac McCarthys in eine ähnliche Richtung, nämlich nach nirgendwo gehenden Roman The Road ist das natürlich Pipifax. Ein 15-jähriger Bub mit Gitarre vom Lebensmitteldiskonter würde das auch hinkriegen. Mit 57 Jahren, zehn Soloalben und einer Handvoll Arbeiten mit seiner einstigen Götterband American Music Club und Meisterwerken wie United Kingdom (1989) oder San Francisco (1994) muss hier allerdings die Schuldvermutung gelten. Mark Eitzel weiß, dass man als Musiker nicht über das harte Los des Musikmachens singen sollte (das Smoke-on-the-Water-Syndrom). Er tut es aber trotzdem. Ruf ruiniert, völlig ungeniert. Es geht ja hier auch nicht darum, den Literaturnobelpreis zu gewinnen. Obwohl man sagen muss, dass Plattitüde und Schallplatte verwandte Begriffe sind. Es geht darum, sich ab einem gewissen Alter nicht mehr mit Klischees vom Altern in Würde oder altersgemäßem Verhalten oder ähnlichem Unsinn abzuquälen. Aber was soll es.

Merge Records on Youtube

Mark Eitzel ist ein Jammerlappen. Und er steht dazu. Für sein neuestes Album Hey Mr Ferryman hat sich Eitzel den einst mit Suede bekannt gewordenen Multiinstrumentalisten Bernard Butler als Produzenten geholt. Dieser sorgt dafür, dass bei aller inhaltlichen Schwere und überzogenem Pathos die Songs schon auch noch angenehm im Segment Erwachsenenmusik flutschen sowie weniger lebensmüde Bereiche wie zum Beispiel Soul oder zart-bitter verdaddelter Easy-Listening-Kitsch der Sixties gestreift werden.

Bei Mark Eitzels etwas aufreibendem Lebensstil hat sich sein klarer, angenehmer Bariton erstaunlicherweise über die Jahrzehnte gehalten. Die Gehsteige berauschen sich lyrisch allerdings weiterhin am Herzblut des Sängers. Er verschüttet es wie Wein, will aber seine Schmerzen in einer Grabkammer verstecken. Man kann gute Musik auch anstrengend finden – und umgekehrt.

Merge Records on Youtube

Bernard Butler sorgt dafür, dass die sich als Slowcore mitunter mühsam vom verkopften Studentenpop Altvorderer wie Prefab Sprout zum melancholischen Klagenhagel eines Morrissey in dessen früher Solophase schleppenden Songs tapfer halten. Respekt. (Christian Schachinger, 25.1.2017)