Das elterliche Pub ist nicht die richtige Umgebung für das Mädchen Shirley (Alina Schaller). Ein möglicher Justizirrtum holt ihren Vater, den Henker Harry Wade (Mitte: Lukas Holzhausen, er führte das Ensemble auch als Regisseur an) ein.

Foto: Alexi Pelekanos

Ist Hennessys (Mitte: Kaspar Locher) Hinrichtung ein Justizirrtum?

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Mooney (Rainer Galke) und der ehemalige Henkersgehilfe Syd (Sebastian Klein) haben einen Plan ausgeheckt.

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Wien – Als die letzten Zuschauer eingezogen sind, ist das Henkersmahl verputzt. Eindringlich wehrt Kaspar Locher sich nun gegen den ihm trotz dürftiger Beweise zugedachten Strick. Vergebens. Vorhang zu. Hangmen heißt das neueste Stück des Dramatikers und Filmemachers Martin McDonagh, am Mittwoch hatte es Österreichpremiere: in für das Volx/Margareten ungewohnt großer, nämlich zwölfköpfiger Besetzung aus Volkstheater- und Laiendarstellern.

Vorhang auf. Zwei Jahre später, es ist 1965, der Tag der Abschaffung der Todesstrafe in Großbritannien. In seinem Amt als letzter Henker hat Harry Wade (Lukas Holzhausen, er führte auch Regie) den Akt 233-mal vollzogen. Immerhin die humanste und sauberste aller zur Auswahl stehenden Vollstreckungen! Zum "Diener der Königin" redet er sich mit großer Geste klein. Im Brotberuf ist er Pub-Besitzer. Hier treffen sich die Stammtrinker des Ortes.

Abgehängte an der Bar

Xenophobe, Homophobe werden sie im Programm genannt. Aber seien wir nicht ungerecht, es sind lediglich sozial Abgehängte, traurige Opportunisten über der Hälfte ihrer guten Jahre. Dass sie in einer Welt vor der Erfindung der Political Correctness leben, muss man denen, die hier sitzen, zugute halten. Jane Zandonai hat ihnen eine langgezogene schwarze Bar an die Bühnenrückwand gestellt.

Sie zu bedienen hilft Wades Tochter Shirley aus. Begafft von den Männern, träumt sich die 15-Jährige zu Elvis' warmer Stimme unbeholfen tanzend davon. Zu Recht fühlt sie sich missverstanden. Da taucht ein Fremder auf. An ihm, Mooney, hängt der Geruch der fernen Stadt London, ein Versprechen von Freiheit. Seine Converse-Schuhe sind der einzige banale Einfall im sonst tollen, auf das Wesentliche reduzierten Realismus der Bühne. Trotzdem oder gerade deshalb weiß er (Rainer Galke) das Mädchen aufzubauen, ein Flirt entwickelt sich. Bald ist sie – mit ihm? – verschwunden. Dafür holt der im Vorspiel Gehenkte die Geschichte ein. War er tatsächlich unschuldig? Und ist der wahre Mörder der nun fremde Mann?

Der Spannungsbogen hält

Die im ersten Teil zentrale moralische Diskussion – Todesstrafe ja oder nein – gerät speziell nach der Pause der zweieinhalbstündigen Aufführung immer mehr ins Hintertreffen einer dramaturgischen Mechanik, in der sich alles zuspitzen muss. Auf Publikumszuspruch hin gebaut, hat Hangmen Stellen zum Lachen, zum Befürchten, Rätseln und Überraschtwerden. Doch so absehbar das klingt, der Spannungsbogen des Psychokrimis hält bis zum bitteren Ende, als die Selbstjustiz ihre Darsteller betroffen, wiewohl irgendwie unerhellt abziehen lässt.

Nicht alle Fragen werden beantwortet. Es ist nun am – ob des Stricks wohl schon zuvor geläuterten – Publikum, sich Gedanken zu machen. Etwa: In ihrer schablonenhaften Anlage tun die Figuren ihren Dienst, bleiben dabei aber eher platt. Ensemble, Ausstattung und Handwerk sind pipifein. Dem Volx ist ein solides – das Offensichtliche zu sagen, hängt ihm wie eine etwas erschlichene moralische Nobilitierung um – Unterhaltungsstück gelungen. Es hat das Zeug zur Erfolgsproduktion. (Michael Wurmitzer, 26.1.2017)