Richard (Ronald Zehrfeld) und Claire Kornitzer (Johanna Wokalek) bringen ihre Kinder in Sicherheit.

Foto: ZDF / Walter Wehner

Wien – Es braucht keine aktuellen Bezüge, damit die Geschichte der Familie Kornitzer bedrückt. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg schicken Claire (Johanna Wokalek) und Richard Kornitzer (Ronald Zehrfeld) – Richard ist Jude – ihre Kinder nach England, um sie vor Verfolgung in Sicherheit zu bringen. Gegen Bürokratie und Korruption ankämpfend, versuchen die Eltern nach Kuba zu fliehen. Nur Richard bekommt ein Visum, Claire bleibt zurück in Deutschland.

Man muss nicht gehört haben, wie der nunmehrige Präsident der USA gegen Muslime hetzt und Repressalien gegen die religiöse Gruppe ankündigt, um ein beklemmendes Gefühl zu bekommen, wenn das Geschäft des mit den Kornitzers befreundeten, jüdischen Juweliers mit einem Davidstern und dem Wort "Jude" markiert wurde.

Oder wenn Beamte des nationalsozialistischen Regimes den Rassismus ihres Führers nur zu gerne nach unten weitertragen und die neu erlangte Macht gewaltvoll genießen.

Niemand muss 2015 Flüchtlinge bei der Ankunft in Europa beobachtet haben, um die Orientierungslosigkeit, die Sprachverwirrung, die Verzweiflung nachvollziehen zu können, die im historischen ZDF-Zweiteiler "Landgericht – Geschichte einer Familie" jene spüren, die vor 80 Jahren vom Kontinent geflohen sind.

Ohne Pathos

All das braucht es nicht. Die von Regisseur Matthias Glasner erzählte Geschichte basiert auf dem gleichnamigen Roman von Ursula Krechel, die wiederum die wahre Geschichte einer christlich-jüdischen Familie erzählt, die die Verfolgung durch die Nationalsozialisten über die ganze Welt zerstreut – und die im Anschluss zwar wieder zusammenfindet, aber nur schwer zusammenwächst.

Glasner erzählt mit einem Auge für die kleinsten Regungen im Gemüt seiner Charaktere, denen von Johanna Wokalek und Ronald Zehrfeld eine leise, umso mächtigere Stimme gegeben wird. Das Pathos ist dem "Landgericht" fremd, die Geschichte ist für sich unerträglich.

"Bis es zu spät war"

Unerträglicher noch, wenn man zeitgleich zuschaut, wie sich die Geschichte zu wiederholen droht; wie Staatsoberhäupter hetzen und den gewalttätigen Rassisten den Glauben an die eigene Legitimität verleihen; wenn in Deutschland der Spitzenpolitiker einer aufstrebenden Partei vom "Gemütszustand eines total besiegten Volkes" spricht, davon, "Deutschland Stück für Stück" zurückzuholen, davon, dass man mit der Entnazifizierung nach 1945 "unsere Wurzeln roden" wollte.

"Vielleicht war das der Fehler", sagt ein Jude im Exil in Landgericht. "Wir haben zu lange gewartet. Bis es zu spät war." (sefe, 29.1.2017)