Innenminister Wolfgang Sobotka sieht einen "Durchbruch" bei den Verhandlungen mit der SPÖ.

derStandard.at
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Wien – SPÖ und ÖVP haben sich bei den Verhandlungen zur Überarbeitung des Koalitionsprogramms auf zahlreiche Maßnahmen im Sicherheitsbereich geeinigt. Für Verwirrung sorgte zunächst Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP), der meinte, man habe vereinbart, die Asyl-Sonderverordnung zur Reduktion der Flüchtlingszahlen demnächst in Kraft zu setzen. Später wurde diese Darstellung wieder zurückgenommen.

Vereinbart sei, dass die Sonderverordnung nur als "Ultima Ratio" komme, hieß es im Büro von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, der das Thema für die SPÖ verhandelt. Diese Version wurde schließlich auch vom Sobotka-Büro bestätigt. Bei der Grundsatzfrage, ob die Asyl-Obergrenze halbiert (auf heuer 17.500 Anträge) und per Gesetz fixiert werden soll, sind sich SPÖ und ÖVP weiterhin uneinig – die SPÖ hält das für verfassungsrechtlich nicht zulässig.

Mehr Grenzkontrollen

Wie sollen nun die Flüchtlingszahlen gesenkt werden? Nach STANDARD-Informationen sind folgende Punkte geplant:

  • Grenzkontrollen: Die Grenzkontrollen sollen deutlich ausgedehnt werden, bestätigen SPÖ und ÖVP. "Wir werden die Grenzkontrollen massiv verschärfen, auch bis hin zu einzelnen Autoanhaltungen", sagte Sobotka. Außerdem soll dafür Sorge getragen werden, dass die "Westbalkanroute geschlossen bleiben muss". Er habe sich mit Doskozil darauf verständigt, in der ersten Februarwoche ein Treffen der betroffenen Staaten zu organisieren, um einen Mechanismus auszuarbeiten, wie man bei einem neuerlichen Ansteigen der Migrationsbewegungen vorgeht.

  • Video-Überwachung: Ebenso akkordiert ist der Ausbau der Videoüberwachung. Öffentliche Betriebe werden zur Speicherung von Video-Überwachungsmaterial verpflichtet. Die von Sobotka genannte Dauer von einem Monat ist laut SPÖ aber noch nicht abgestimmt. Betroffen davon wären etwa der Autobahn-Betreiber Asfinag oder die ÖBB. Private Betreiber sollen auf freiwilliger Basis ihr Material zur Verfügung stellen können. Zudem hat man sich auf eine dauerhafte Kennzeichenerfassung an den Grenzen mittels Video verständigt, auch die Asfinag-Kameras sollen entsprechend umgerüstet werden.

  • Pflichten für Transportunternehmen: Zur Eindämmung der illegalen Einwanderung werden alle Beförderungsunternehmen verpflichtet, zu kontrollieren, ob die transportierten Personen die erforderlichen Reisedokumente bzw. die Berechtigung zur Einreise nach Österreich haben. Derzeit müssen nur Flugunternehmen und international tätige Autobusfirmen solche Überprüfungen durchführen. Künftig würde diese Auflage also auch für die ÖBB oder für Taxler gelten. Kontrollieren sie nicht, drohen ihnen Strafen. Wie sie das umsetzen, liegt bei den einzelnen Unternehmen.

Angesetzt werden soll auch bei der Rückkehrberatung, damit Menschen, die einen negativen Asylbescheid haben, aber trotzdem in Österreich bleiben, weil es beispielsweise kein Rücknahmeabkommen mit dem Herkunftsland gibt, trotzdem das Land verlassen.

  • Ausreisehaft: Die Zahlungen an Rückkehrwillige sollen erhöht werden, bestätigen SPÖ und ÖVP, ohne aber genaue Werte zu nennen. Gleichzeitig soll der "Aktionsradius" dieser Personen eingeschränkt werden. Sie dürften sich also nur mehr innerhalb eines bestimmten Bereichs in Österreich aufhalten. Verstoßen sie gegen diese Auflage oder verlassen sie Österreich innerhalb einer festgelegten Frist nicht, sei eine "Ausreisehaft" angedacht, die bis zu 18 Monate dauern kann. Zudem sollen die Leistungen für Menschen mit rechtskräftig negativem Bescheid von Geld- auf Sachleistungen umgestellt werden.

Gefährder

Außer Streit gestellt wurden von Sobotka und Doskozil weiters technische Maßnahmen zur elektronischen Überwachung von Rückkehrer aus dem Jihad. Laut dem Innenminister wird je nach Fall entschieden, ob man mittels elektronischer Fußfessel, telefonischer Überwachung über sogenannte IMSI-Catcher oder auch über andere Abhörmaßnahmen überwache. Ein richterlicher Beschluss soll dafür nicht notwendig sein, sondern lediglich eine Anordnung der Staatsanwaltschaft. Vereinbart wurde auch, dass Wertkartenhandys künftig registriert werden müssen. Hier sei man internationalen Beispielen gefolgt, heißt es in Verhandlerkreisen.

Sicherheitskabinett

Ebenfalls auf Schiene gebracht werden soll das schon länger geplante "Sicherheitskabinett" der Regierung, das in Krisenfällen – ob Terroranschlag, Naturkatastrophe oder Pandemie – künftig auf Antrag der Bundesregierung zusammentreten soll.

Divergierend sind die Auskünfte bei der "elektronische Identität", mittels derer man sich künftig ausweisen können soll. Für Sobotka ist diese Frage geklärt, in der SPÖ heißt es, es handle sich um ein Dissensthema. Mit diesem Instrument hätten berechtigte Stellen – etwa Banken oder Versicherungen – Einblick in zentral erfasste Register wie Melde- oder fremdenpolizeiliches Register und Bonitäts-Datenbanken.

Sonderverordnung

Nur wenn es mit all diesen Maßnahmen nicht gelinge, die Flüchtlingszahlen drastisch zu senken, soll die Sonderverordnung aktiviert werden. Dass dies bereits im Februar oder März der Fall sein könnte, wie es zunächst im Innenressort hieß, glaubt die SPÖ nicht. Zur Erinnerung: Das klassische Asylverfahren käme nach Inkrafttreten der Sonderverordnung nicht mehr zur Anwendung. Flüchtlinge könnten an der Grenze abgewiesen werden. Ausnahmen würde es aber für jene Personen geben, die bereits Angehörige in Österreich haben, oder wenn dem Flüchtling in einem Nachbarland Verfolgung droht, wovon das Innenministerium aber nicht ausgeht.

Polizeianhaltezentren

Wird jemand innerhalb Österreichs aufgegriffen und stellt dann einen Asylantrag, könnte er oder sie bis zu zwei Wochen in einem Polizeianhaltezentrum untergebracht werden. Ist nach einer Prüfung eine Zurückschiebung fremdenpolizeilich nicht möglich, müsste das Verfahren aber trotzdem in Österreich durchgeführt werden. Hier ist man also stark auf die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern angewiesen. Unklar war auch stets, wie es weitergehen würde, wenn Österreich die Einreise verweigert, ein Nachbarland wie Ungarn aber die Rücknahme an der Grenze ebenso ablehnt.

Über die offene Frage, ob die Obergrenze, die derzeit nur ein politisches Ziel ist, heuer halbiert (auf 17.500) und ins Gesetz geschrieben werden soll, müssen nun die Regierungschefs weiter beraten.

Keine Unterschrift

Ebenso zu beraten wird sein, in welcher Form der Koalitionspakt finalisiert wird. Sobotka lehnt die von Kern geforderte Unterzeichnung des SPÖ-ÖVP-Pakts durch alle Minister ab. "Ich setzte meine Unterschrift unter mein Kapitel, was ich ausgearbeitet habe, unter sonst nichts", sagte der Minister. (go, 28.1.2017)