Wien – Der Gang zur Toilette wird in Filmen nur allzu gerne unter den Tisch fallen gelassen. In der Filmbiografie Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen sieht es jedoch ganz anders aus. Taraji P. Henson geht hier nicht einfach aufs Klo, angefeuert von Pharrell Williams' Happy-Peppy-Soul stolpert sie, so schnell es die Stöckelschuhe hergeben, ein ums andere Mal über den Firmenparkplatz. Freilich steckt dahinter mehr als ein schnöder Kampf gegen Blase und Schwerkraft.

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Hier scheint etwas schiefgegangen zu sein: Taraji P. Henson als Nasa-Mathematikerin Katherine Johnson im Oscar-nominierten Film "Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen".

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Henson spielt in der Dramatisierung von Margot Lee Shetterlys gleichnamigem Sachbuch Katherine Goble (später Johnson), die als geniale Mathematikerin 1961 zwar wesentliche Anteile am Gelingen des ersten US-Raumfahrtprogramms hatte, als Afroamerikanerin jedoch stets ans andere Ende des Nasa-Forschungszentrums laufen musste, um die ihr zugedachten Sanitärräume zu nutzen.

Der Film zeigt keine Lynchmorde an Schwarzen, sondern alltägliche Diskriminierungen wie diese, keine diabolischen Rassisten, sondern das oft selbstgefällige Hinnehmen der bestehenden Rassentrennung. Gobles täglicher WC-Lauf wird so zum humorig aufgeladenen Tropfen, der das Fass zumindest in ihrem Fall zum Überlaufen bringt.

20th Century Fox

Wenn der Frust schließlich vor versammelter Kollegenschaft aus ihr herausbricht, kann ihr Vorgesetzter Al Harrison (Kevin Costner, den Kaugummi stets im Anschlag) gar nicht anders, als das "Colored Ladies Room"-Schild höchstpersönlich von der Wand zu pracken – eine Szene, mit deren Einspielung zu rechnen ist, wenn der Film bei der kommenden Oscar-Verleihung am 26. Februar als mögliches Best Picture vorgestellt wird.

Doppeldiskriminierung

Wie der Rassismus, so werden auch die Lebenswege der als afroamerikanische Frauen gleich doppelt diskriminierten Heldinnen zwar publikumswirksam inszeniert, jedoch nicht in alltagsferne Sphären entrückt. Regisseur und Koautor Theodore Melfi zeigt die sich stets demonstrativ hinter ihrer Brille versteckende Goble, die temperamentvolle Mary Jackson (US-R-'n'-B-Sängerin Janelle Monáe) und die patente Dorothy Vaughan (Octavia Spencer, die nach The Help auf einen zweiten Nebenrollen-Oscar hoffen darf) als herausragende Persönlichkeiten, die zugleich aber auch einfach nur gute Freundinnen und – ob beim Kirchenbesuch oder beim Barbecue, ist ganz egal – fest in ihrer Community verwurzelt sind.

Ihre Leistungen verorten sie dementsprechend: Jackson will mit ihrem Kampf um eine höhere Ausbildung gleich einen Präzedenzfall schaffen, Vaughan denkt beim Erlernen der Programmiersprache Fortran nicht nur an ihren Arbeitsplatz, sondern ebenso an die Jobs ihrer Freundinnen und Kolleginnen.

Strenge Rechnung

Diese Frauen wollen in mehrfacher Hinsicht Grenzen überwinden und ihren Beitrag für die Zukunft leisten. Sie bleiben bei ihrem Greifen nach den Sternen aber stets auf dem Boden der Realität. Strenge Rechnung, gute Freundinnen.

Mit drei bemerkenswerten Karrieren, einer zwecks Romantik hineingequetschten Liebesgeschichte und dem im Finale noch einmal in den Vordergrund rückenden Wettlauf ins All gibt es einiges abzuarbeiten. Da muss es zwar manchmal etwas schnell und plakativ gehen, dafür flutschen die 127 Minuten aber auch geschmeidig dahin.

Dazu vermitteln Set-Design und Kostüme außerhalb der Nasa-Büros ein sonnig-farbenfrohes Bild der frühen 1960er-Jahre. Ohne große Höhe- oder Tiefpunkte antwortet Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen auf die Probleme institutionalisierter Diskriminierung mit dem wonnigen Verschmelzen der Songparolen We Shall Overcome und Yes We Can. Das tut in diesen unseren Zeiten auch einmal gut. (Dorian Waller, 1.2.2017)