Bild nicht mehr verfügbar.

Sieht Fortschritte bei Steuerregeln: Mark Pieth.

Foto: REUTERS/Arnd Wiegmann

Wien – Mark Pieth war nach den Enthüllungen rund um die Panama-Papers Teil einer Kommission für mehr Transparenz im Finanzwesen Panamas. Weil die Regierung den Endbericht der Kommission nicht veröffentlichen wollte, sind er und Kommissionsleiter und Nobelpreisträger Joseph Stieglitz im Sommer ausgetreten.

Im Gespräch mit dem STANDARD erklärt Pieth, warum in Sachen Steuertransparenz auf internationaler Ebene in den vergangenen Jahren einiges weitergegangen ist. Bei der Umsetzung hapere es aber noch, auch in vielen europäischen Ländern. Vor allem würden verpflichtende Firmenregister fehlen, in denen die wirtschaftlich Begünstigten von Gesellschaften aufscheinen.

STANDARD: Vergangene Woche hat der Oberste Gerichtshof in Panama die Ermittlungen gegen die Anwaltskanzlei Mossack Fonseca abgedreht, die im Mittelpunkt der Enthüllungen rund um die Panama Papers steht. Ist es am Ende so, dass gar nichts strafrechtlich Relevantes zutage gefördert wurde?

Pieth: Ob man mit den Ermittlungsergebnissen vor Gericht gehen hätte können, ist die eine Frage. Aber es gibt einen Verdacht, und es ist zumindest unüblich, dass die Staatsanwaltschaft dem nicht nachgehen darf. Dass Mossack Fonseca mehr gewusst hat, geht aus den Dokumenten stärker hervor, als ihnen lieb ist. Die Argumentation dieser Kanzleien ist ja immer, dass nur der Anwalt im Ausland, mit dem sie zusammenarbeiten, weiß, wer der Kunde ist. Aber es gibt Indizien dafür, dass sie wussten, dass da ein Kinderprostitutionsring dabei war oder dass sie Drogenhändler kannten. Es gibt also einen klaren Geldwäscheverdacht. Wenn Panama an der Aufarbeitung scheitert, ist das ein Grund, sie auf eine schwarze Liste zu setzen.

STANDARD: Sollten die von einem Whistleblower gestohlenen und nun öffentlich zugänglichen Daten aus den Panama Papers als Beweismittel anerkannt werden?

Pieth: Das ist eine schwierige juristische Frage, ähnlich wie jene, ob Gerichte Daten von Steuer-CDs verwenden sollten, die ein Staat einem Informanten abgekauft hat. Es gibt die Sichtweise, wonach illegal beschaffte Daten dann verwertbar sind, wenn sie auch legal hätten beschafft werden können. Und das ist bei Mossack Fonseca der Fall – etwa über eine Hausdurchsuchung. Aber die Justiz in Panama hat keinen guten Ruf, um es vorsichtig auszudrücken.

Bild nicht mehr verfügbar.

Dunkle Wolken über Panama-Stadt: Seit den Panama Papers ist das mittelamerikanische Land Blitzableiter für Kritik an Steuervermeidern.
Foto: AP Photo/Arnulfo Franco

STANDARD: Was haben wir aus den Enthüllungen gelernt, was nicht schon vorher bekannt war?

Pieth: Wie man eine Struktur zur Steuervermeidung aufbaut, haben wir schon gewusst. Man nimmt einen Anwalt, der sich Briefkastenfirmen kauft und einen nominellen Direktor einsetzt. Das kann, wie bei Mossack Fonseca, auch der Gärtner der Anwaltskanzlei sein. Diese Gesellschaft gibt man dann als den Eigner eines Bankkontos aus. Am besten in Ländern, in denen Banken nicht so genau nachfragen oder sich damit zufrieden geben, dass die Anwälte beteuern, sie würden ihren Kunden kennen. Damit habe ich gleich drei Schutzschilder: Das Anwaltsgeheimnis, das Gesellschaftsgeheimnis und das Bankgeheimnis. Durch die Panama Papers liegt jetzt eine Vielzahl an Fällen vor, die das alles bestätigen und sehr deutlich sind, weil es auch um Staatschefs und organisiertes Verbrechen geht.

STANDARD: Abgesehen von Politikern, Prominenten und Kriminellen, welche Menschen machen die Masse an Steuerflüchtlingen aus?

Pieth: Es gibt ganz unterschiedliche Gründe. Einerseits Schwerverbrecher wie Drogen- und Menschenhändler. Dann sind da Leute, die ganz einfach Steuerbetrüger sind und weniger abführen, als sie müssten. Und dann haben Sie Gesellschaften, die nicht eindeutig illegal handeln, aber die schädlichen Steuerwettbewerb betreiben. Die verschieben Gewinne von dem Ort, an dem sie angefallen sind, an einen anderen, an dem sie keine oder kaum Steuern bezahlen. Das Land, in dem die Wertschöpfung passiert, geht leer aus, das Geld fehlt zur Finanzierung des Sozialstaats.

STANDARD: Welche Unternehmen sind das?

Pieth: Da finden Sie alles, von Mittelständlern bis hin zu praktisch jedem Konzern.

STANDARD: Was ist das größere Problem: Unternehmen, die Gewinnsteuern vermeiden oder Privatleute, die ihr Einkommen oder Vermögen nicht versteuern?

Pieth: Das Ganze ist sehr konfus, man kann es oft nicht scharf trennen und quantifizieren. (Der deutsche Finanzminister, Anm.) Schäuble hat einmal gesagt, 90 Prozent der Offshore-Firmen haben einen illegalen Zweck. Das kann ich so nicht bestätigen, ich weiß es nicht. Manchmal geht es auch um zivilrechtliche Fragen, wenn zum Beispiel Erben ihr Pflichtteil vorenthalten wird oder Ehepartner vor der Scheidung noch schnell ausmanövriert werden. Das ist meist nicht strafbar.

STANDARD: Ist es nachvollziehbar, dass Länder als Steueroase auftreten, um sich damit einen Weg aus der Armut zu finanzieren?

Pieth: Das mag für ganz kleine Inseln wie beispielsweise Montserrat gelten, aber nicht für Panama. Gesellschaftsgründer sind gerade einmal für 1,5 Prozent der panamesischen Wirtschaftsleistung verantwortlich, das ist vernachlässigbar. Das Land braucht dieses Geschäftsmodell nicht. Aber der Sektor ist eng verbandelt mit der Politik und verhindert, dass etwas revidiert wird.

STANDARD: Zu diesem System tragen auch wohlhabende Länder wie Liechtenstein, die Schweiz oder, bis zur Lockerung des Bankgeheimnisses, auch Österreich bei. Sollte der Druck eigentlich in erster Linie diese Länder treffen?

Pieth: Alle Länder sollten auf das gleiche Transparenzniveau gebracht werden. Es ist nicht einzusehen, wieso es irgendwo auf der Welt intransparente Gesellschaftsregister geben sollte. Da gibt es auch in Europa noch viel zu tun. Nicht überall muss in Firmenregistern der letztendliche Eigentümer angeführt werden.

STANDARD: Wie dreht man Steueroasen am effizientesten ab?

Pieth: Es gibt zwei voneinander getrennte Themen: Steuertransparenz und Steuerharmonisierung. Bei der Transparenz geht es darum, die Leute dazu zu bringen, ihrer Steuerpflicht in dem Land nachzukommen, in dem sie anfällt. Da sind wir schon relativ weit. Es gibt seit kurzem den automatischen Informationsaustausch zwischen Steuerbehörden bei Verdachtsfällen, das bewirkt viel. Wir müssen aber wissen, mit wem wir es zu tun haben. Es gibt nach wie vor viele Möglichkeiten, die Personen, die von einer Firma wirtschaftlich profitieren, zu verschleiern. Da sind eben die Firmenregister entscheidend – und wir sind noch weit davon entfernt, dass es in allen Ländern transparente Register gibt, in denen angeführt wird, wer ein Unternehmen tatsächlich kontrolliert. Beim zweiten Punkt, der Harmonisierung, geht es um die Frage: Sollte man verhindern, dass gewissen Staaten Niedrigsteuerstaaten sind und große Unternehmen anziehen – Stichwort Irland.

STANDARD: Wird der Druck zu Maßnahmen gegen Steuervermeidung in den kommenden Jahren aufrecht bleiben, oder braucht es ständig neue Skandale?

Pieth: Manche sehen die Präsidentschaft von Donald Trump in den USA als Gefahr für Fortschritte bei internationalen Vereinbarungen. Ich glaube, das kann verhindert werden, nämlich wenn Europa Druck in Richtung Transparenz macht. Aber natürlich wird auch weiter geleakt werden. (Simon Moser, 1.2.2017)