US-Präsident Donald Trump will sein Wahlversprechen einlösen und hat kurz nach seinem Amtsantritt per Dekret den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko angeordnet. Laut Heimatschutzminister John F. Kelly soll die Sperranlage binnen zwei Jahren stehen.

Bauunternehmer Trump sprach von einer "beispiellosen Zunahme" der Zahl der Zuwanderer. Mexikanische Immigranten kann er damit wohl nicht gemeint haben: Deren Anzahl geht seit 2007 zurück.

Der südliche Nachbar der USA ist allerdings auch das wichtigste Transitland für Migranten aus Mittel- und Südamerika, die die USA erreichen wollen. Hier sind die Zahlen für illegale Einwanderung stabil (Mittel-) oder sinken (Südamerika).

Mexiko verschärfte Kontrollen

Die Zahl der an der US-Grenze aufgegriffenen Migranten war zuletzt so niedrig wie seit Anfang der 1970er-Jahre nicht mehr – unter anderem, weil Mexiko auf Druck der USA die Kontrollen an den Verkehrswegen nach Norden verschärft hat. Im Haushaltsjahr 2016 nahmen die mexikanischen Behörden mehr als 150.000 illegale Migranten aus Mittelamerika fest.

Berichte, die mexikanische Sperranlage sei eine durchgängige Wand, zirkulierten im US-Wahlkampf, sind aber ins Reich der "Fake News" (oder "alternative Facts", wie es Trump-Sprecherin Kellanne Conway nennt) zu verweisen. Als Illustration der angeblichen mexikanischen Mauer im Süden wurden Bilder der Sperranlage zwischen Israel und dem Westjordanland oder Fotos der US-amerikanisch-mexikanischen Grenze verwendet.

Tatsächlich verläuft Mexikos Südgrenze großteils durch den unzugänglichen Dschungel der guatemaltekischen Provinz Petén, die wenigen offiziellen Übergänge bestehen aus bescheidenen Hütten, in denen oft ein einzelner Beamter sitzt.

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Für wenige Quetzales kann man sich über den Grenzfluss Suchiate von Tecún Umán nach Ciudad Hidalgo in Mexiko bringen lassen.
Foto: REUTERS/Jorge Dan Lopez

Der spanische Fotograf Ignacio Evangelista, der im Frühling 2015 die bestehenden US-Sperranlagen dokumentierte, hätte sich damals nicht vorstellen können, dass in der damals menschenleeren Wüste bald Baumaschinen auffahren sollen.

Grenzzaun bei Nogales. Foto: Ignacio Evangelista – ignacioevangelista.com
Foto: Ignacio Evangelista

Der Journalist, der zuvor verlassene Grenzübergänge in Europa fotografierte ("After Schengen"), hätte eher erwartet, dass die Mauer in absehbarer Zukunft Geschichte sein würde, sagte er zum STANDARD.

Umstrittenes Milliardenprojekt

Trumps Mauer soll bis zu 15 Meter hoch sein und aus Stahl und Beton errichtet werden. Laut einer Studie des Massachusetts Institute of Technology wären dafür bis zu 9,7 Millionen Kubikmeter Beton und 2,3 Millionen Tonnen Stahl nötig. Das Vorhaben könnte demnach bis zu 40 Milliarden Dollar (37 Milliarden Euro) kosten.

Auf rund einem Drittel der 3.200 Kilometer langen Grenze gibt es bereits Grenzzäune. Die nicht gesicherten Abschnitte liegen meist in unzugänglichen Gebieten. Wüsten, Flüsse und Gebirge erschweren dort Grenzübertritt und Weiterreise.

In der Nähe der mexikanischen Stadt Tecate endet die bestehende Sperranlage unterhalb eines Berggipfels.
Foto: APA/AFP/MARIO VAZQUEZ

Ob die Errichtung einer Mauer entlang der gesamten Grenze möglich ist, bleibt unklar: Teile des Grenzgebiets stehen unter Naturschutz, andere sind in Privatbesitz. Ein 120 Kilometer langer Abschnitt zwischen dem US-Bundesstaat Arizona und Mexiko wird von dem Indianerstamm Tohono O'Odham verwaltet. Die Ureinwohner leben auf beiden Seiten der Grenze und konnten sich früher relativ unbehelligt hin- und herbewegen.

Maurermangel in Texas

Experten schätzen, dass für den Mauerbau um die 40.000 Arbeiter nötig wären, die mindestens vier Jahre lang beschäftigt wären. Besonders schwierig dürfte es Ökonomen zufolge sein, die Mauer ohne Beschäftigte aus dem Ausland zu errichten. Die Arbeitslosenquote in den USA ist mit 4,7 Prozent schon jetzt sehr niedrig. Bei einer jüngsten Umfrage des US-Branchenverbands AGC gaben über die Hälfte der texanischen Baufirmen an, nicht genügend Betonarbeiter und Maurer zu finden.

Orbáns Grenzzaun wurde teurer

Etwaige Grundstücksablösen würden also die budgetierten Kosten weiter erhöhen. Zum Vergleich: Für Ungarns "provisorischen Zaun zu Grenzkontrollzwecken" wurde ein Quadratkilometer Privatgrund enteignet, die Regierung Viktor Orbáns zahlte 160 bis 170 Forint (etwa 50 Cent) pro Quadratmeter. Die anfangs auf 21 Millionen Euro geschätzten Baukosten stiegen auf mehr als 90 Millionen, obwohl für den Bau Soldaten, Arbeitslose und auch Strafgefangene eingesetzt wurden.

Präsident Trump beteuert, Mexiko werde schlussendlich für den Mauerbau aufkommen, der vorerst aus dem US-Budget finanziert werden soll. Die mexikanische Regierung hat das bisher stets bestritten. Einzig für einen Vorschlag des neuen Stabschefs im Weißen Haus, Reince Priebus, konnte sich Außenminister Luis Videgaray bisher erwärmen: Die Baukosten sollen mexikanischen Drogenkartellen aufgebürdet werden.

Wer den oft schwerbewaffneten Kriminellen, die mit Kokain-, Methamphetamin- und Marihuanahandel Millionen verdienen, diese Nachricht überbringen soll, erklärten weder Priebus noch Videgaray.

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Innovativ: Diese von der mexikanischen Polizei beschlagnahmte Druckluftkanone schoss Marihuanapakete über die US-Grenze.
Foto: AP /Mexicali Public Safety Department

Geschäftseinbußen haben die illegalen Exporteure durch den Mauerbau wohl nicht zu befürchten: Der Großteil der Drogen wird nicht über die grüne Grenze, sondern in Autos über reguläre Grenzübergänge oder versteckt in Containern über Häfen in die USA geschmuggelt. (Bert Eder, 2.2.2017)