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Zwei Grad Erderwärmung gelten als kritische Grenze. Teile der USA werden sie rascher überschreiten als der weltweite Durchschnitt.

Foto: AP / Mel Evans

Wien – "Das Konzept der globalen Erderwärmung wurde von und für die Chinesen erfunden, um US-Erzeugnisse nicht wettbewerbsfähig zu machen", schrieb Donald Trump im November 2012 auf Twitter. Seinen Standpunkt dürfte er seit seinem Wahlsieg nicht geändert haben. Die USA stehen unter ihrem neuen Präsidenten vor einem radikalen Kurswechsel in der Klimapolitik.

Die neue Regierung werde sich aus dem Pariser Klimaabkommen zurückziehen, sagte der Direktor des konservativen Politikberatungsunternehmens Competitive Enterprise, Myron Ebell, erst am Montag. Dabei könnten die Auswirkungen des Klimawandels rund um Washington bald besonders zu spüren sein. Denn Wissenschafter des Northeast Climate Science Center (NECSC) an der Universität Massachusetts Amherst haben sich damit beschäftigt, welche US-Regionen vom Klimawandel stärker betroffen sind: Der Nordosten liege demnach im Vergleich zum weltweiten Temperaturdurchschnitt weit vorne.

"Eine Auswertung von 80 Prozent der aktuellen Klimamodelle zeigt, dass die Zwei-Grad-Grenze im Nordosten der USA etwa 2040 erreicht sein wird", sagt Studienautor Ambarish Karmalkar dem STANDARD. Die Region werde die bei der Klimakonferenz von Paris festgelegte Zwei-Grad-Grenze 15 bis 20 Jahre früher erreichen als der globale Durchschnitt, berichtet der Klimawissenschafter.

"Wir sagen nicht, dass sich der Nordosten schneller erwärmt als jede andere Region der Welt", präzisiert Karmalkar, "sondern rascher verglichen mit allen anderen US-Regionen und auch der globalen Durchschnittstemperatur." Für die Studie wurde vor allem deshalb die globale Durchschnittstemperatur herangezogen, da das Pariser Klimaziel darauf basiert. Zweck der Untersuchung war es, herauszufinden, was in den einzelnen Regionen passiert, wenn ebendieses Zwei-Grad-Ziel erreicht wird. Für den Vergleich innerhalb der USA wurden acht Regionen in insgesamt 48 Bundesstaaten untersucht.

Kanadischer Luchs betroffen

Die Gründe für diese klimatische Abweichung am nordamerikanischen Kontinent werden gerade untersucht. Karmalkar informiert über bisherige Ergebnisse: "Die Erwärmung im Sommer ist in allen US-Regionen – abgesehen vom Südosten – ähnlich. Die Erwärmung im Winter ist hingegen wesentlich höher im Nordosten, und das trägt zu einem insgesamt höheren Temperaturanstieg bei." Auch der Golf von Maine, ein rund 93.000 Quadratkilometer großes Randmeer des Atlantiks an der Ostküste Nordamerikas, hat in den vergangenen Dekaden einen signifikanten Temperaturanstieg erfahren. "Wir untersuchen gerade die Auswirkungen auf das nordöstliche Festland", so Karmalkar. In den vergangenen Jahren konnte zudem ein Anstieg an schweren Regenfällen in der gesamten USA, aber verstärkt im Nordosten, beobachtet werden.

Gemeinsam mit Ökologen werden nun die Auswirkungen auf Wildtiere am Festland und Fische untersucht. So ist zum Beispiel die Population des Bachsaiblings, eines beliebten Speisefischs, betroffen, der kalte Gewässer bevorzugt. Da die Erwärmung in den Wintermonaten viel ausgeprägter ist, werden auch Auswirkungen auf die Schneemenge erwartet. Das könnte sich negativ auf kanadische Luchse und ihr bevorzugtes Beutetier, den Schneeschuhhasen, auswirken.

"Weniger Zeit"

Karmalkar ist es wichtig, zu betonen, dass die Forschungsergebnisse nahelegen, dass durch den rasanteren Temperaturanstieg in der nordöstlichen Region der USA weniger Zeit bleibt, um Anpassungsmaßnahmen umzusetzen und die Auswirkungen des Klimawandels abzuschwächen oder zu lindern.

Aus dem Weißen Haus kommen im Moment jedoch andere Signale: Trump wolle kein US-Steuergeld für Klimaschutzmaßnahmen ausgeben. Während Obama in seiner Klimapolitik auf erneuerbare Energien gesetzt hatte, will Trump wieder fossile Energieträger fördern. Dazu gehören auch zwei Pipeline-Projekte, die Trump durch eine Anordnung wiederaufgenommen hatte. Nach jahrelangem Streit waren sie von Obama gestoppt worden. (Julia Schilly, 2.2.2017)