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Klassischer Frauenjob im Handel: Der Teilzeitboom brachte Frauen trotz Krise neue Arbeitsplätze – doch auf die Vollzeitjobs bleiben in vielen Fällen die Männer abonniert.

Foto: dpa-Zentralbild/Arno Burgi

Ein Blick in die Daten macht die "gläserne Decke" sehr gut sichtbar: Fast die Hälfte aller unselbstständig Beschäftigten sind Frauen, in der Gruppe mit ganzjährigem Vollzeitjob beträgt ihr Anteil 35 Prozent. Doch geht es in die hohen Einkommenssphären, sinkt die Quote rapide. Im bestverdienenden Zehntel der Erwerbstätigen machen Frauen 25 Prozent aus, im obersten Prozent nur mehr zwölf Prozent. Im Top-Promille ist der Anteil schließlich auf acht Prozent geschrumpft.

Die Zahlen stammen aus dem neuen Sozialbericht, den das Sozialministerium dieser Tage veröffentlicht hat (DER STANDARD berichtete). Was die 400 Seiten starke Studiensammlung unter anderem offenzulegen versucht: die "systematische Benachteiligung" von Frauen in der Arbeitswelt.

Ins Auge springt die geschlechterspezifische Schieflage bei der Verteilung der Arbeitszeit: Während 90 Prozent der aktiven unselbstständig beschäftigten Männer einen Vollzeitjob ausüben, arbeitet nahezu die Hälfte der Frauen Teilzeit, also weniger als 35 Stunden pro Woche. Mehr als drei Viertel aller Teilzeitbeschäftigten sind Frauen.

Gestiegen ist der Anteil in der jüngeren Vergangenheit bei beiden Geschlechtern, bei den Männern allerdings zeitverzögert und eben von einem niedrigeren Niveau aus. Und noch einen Unterschied gibt es: Werden bei den Männern tendenziell Vollzeit- durch Teilzeitjobs verdrängt, so ist der Anstieg bei den Frauen vielmehr damit zu erklären, dass neue Beschäftigung entstanden ist. Bei den 156.000 Arbeitsplätzen, die trotz Wirtschaftskrise seit 2008 dazugekommen sind, handelt es sich ausschließlich um Teilzeitstellen – und die gingen zu 79 Prozent an Frauen.

Teilzeitboom kein Abstieg

Für die meisten Betroffenen ist der jüngste Teilzeitboom also kein Abstieg. Doch gleichzeitig drängt sich die Frage auf, warum das Gros der Vollzeitposten den Männern vorbehalten bleibt. Hier zeige sich "der lange Atem traditioneller Geschlechterrollen", heißt es im Bericht: Sobald in einer Partnerschaft Kinder zur Welt kommen, ziehen sich viele Frauen vom Arbeitsmarkt zurück.

Zu Beginn der Erwerbsbiografie liegt der Anteil der Vollzeitbeschäftigten unter den Frauen nicht rasend weit unter jenem der Männer. Doch ab dem Alter von 25 Jahre rasselt die Quote bei den Frauen in den Keller und steigt erst jenseits der 40 wieder kontinuierlich, aber moderat an. Die Männer hingegen hackeln in der Regel auf vollen Touren weiter.

Hauptgrund für den partiellen Ausstieg sind häusliche Aufgaben: 38 Prozent der weiblichen Teilzeitbeschäftigten nennen die Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Erwachsenen, weitere 19 Prozent andere familiäre oder persönliche Gründe. Die wenigen Männer schränken hingegen vor allem dann ihre Berufsarbeit ein, wenn sie Zeit für Weiterbildung brauchen. In dieses Bild passt auch: Mehr als ein Viertel der Männer leistet Überstunden, aber nur jede zehnte Frau.

Wollten die Betroffenen denn anders, wenn sie könnten? 12,5 Prozent der Teilzeitler geben an, keine Vollzeitstelle zu finden, gelten somit als unfreiwillig eingeschränkt. Allerdings würden auch freiwillige Teilzeitbeschäftigte gerne ausgiebiger arbeiten; die Frauen, so der aus den sehr unterschiedlichen Wünschen destillierte Durchschnitt, um 2,4 Wochenstunden mehr.

Dass sich diese Rollenverteilung massiv in den Einkommen niederschlägt, liegt auf der Hand. Drei Viertel aller Männereinkommen liegen über dem mittleren Einkommen der Frauen, das laut Lohnsteuerstatistik 1810 Euro pro Monat beträgt. Von den 400.000 Menschen, die weniger als 1500 Euro brutto verdienen, sind zwei Drittel Frauen. Der Rückstand pflanzt sich im Ruhestand fort. Derzeit sind die Alterspensionen der Männer um zwei Drittel höher als jene der Frauen.

Unerklärbarer Pay-Gap

Die Teilzeitfrage erklärt die Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern freilich nicht allein. Auch gemessen am Bruttostundenverdienst existiert ein "Gender-Pay-Gap", dieser beträgt in Österreich 22,4 Prozent (Stand 2014). Es gibt dafür eine Reihe handfester Gründe – etwa dass Frauen nach wie vor häufiger in schlecht bezahlten Dienstleistungsjobs arbeiten. Doch diese überprüfbaren Ursachen erklären laut Analyse der Statistik Austria die Kluft zwischen Mann und Frau nicht einmal zur Hälfte.

Demnach bleibt ein Pay-Gap von rund 15 Prozent, für den es keine objektivierbare Erklärung gibt – sondern womöglich nur diese eine: weil es einfach Frauen sind. (Gerald John, 1.2.2017)