Die erste Hürde ist genommen: Das britische Unterhaus stimmte am Donnerstag in zweiter Lesung mit der überwältigenden Mehrheit von mehr als 80 Prozent der Abgeordneten für ein Gesetz, das Premierministerin Theresa May die Vollmacht gibt, den britischen Austritt aus der Europäischen Union einzuleiten. Das Brexit-Gesetz geht jetzt in die Ausschüsse, bevor es schon in der nächsten Woche zur dritten Lesung kommt.

Theresa May kam dem Wunsch vieler Volksvertreter nach und veröffentlichte am Donnerstag ein Weißbuch zum Brexit, also einen detaillierten Fahrplan, wie sie die Scheidung zu gestalten gedenkt.

Das Weißbuch stützt sich auf die programmatische Rede, die May Mitte Jänner gehalten hatte. Sie formulierte vier Prinzipien: Er müsse für Klarheit sorgen und Großbritannien stärker, gerechter und globaler machen. Der Plan verfolgt zwölf Ziele, die von der Kontrolle der Einwanderung von EU-Bürgern über die Ablehnung der EU-Gerichtsbarkeit bis hin zu einem Freihandelsdeal mit der EU. Das Weißbuch bestätigt: Großbritannien wird nicht mehr Mitglied des Binnenmarktes sein und, wenn überhaupt, nur eingeschränkt an der Europäischen Zollunion teilnehmen.

Bei der Vorstellung des Weißbuchs im Unterhaus unterstrich der Brexit-Minister David Davis, dass man wolle, dass die EU erfolgreich ist "politisch wie ökonomisch". Großbritannien strebe eine "neue konstruktive Partnerschaft" an mit "reibungslosen Handel", weil dies im gemeinsamen Interesse läge.

Human-Verhandlungsmasse

Das Weißbuch hat wie im Vorfeld erwartet lediglich Mays Grundsatzrede mit ein paar Details versehen, aber keine neuen oder gar überraschenden Initiativen präsentiert. Was eine Reihe von Abgeordneten, gerade auch innerhalb der Konservativen Partei, enttäuschte, war das Fehlen jedes Zugeständnisses gegenüber den rund drei Millionen EU-Bürgern in Großbritannien. Deren Rechte, wurde gefordert, müsste Großbritannien garantieren. London will sie nun aber als Verhandlungsmasse einsetzen.

Abgeordnete aller Parteien werden in den nächsten sieben Tagen bis zur abschließenden Abstimmung über das Austrittsgesetz versuchen, die Brexit-Pläne durch Änderungsanträge abzumildern.

Gegen den EU-Austritt stimmten die Abgeordneten der Schottischen Nationalpartei (SNP), deren Parteichefin, die schottische Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon, für den Fall eines harten Brexit eine neue Volksabstimmung abgekündigt hatte. Eine solche schloss der britische Verteidigungsminister Michael Fallon am Donnerstag allerdings aus. (Jochen Wittmann aus London, 2.2.2017)