Der Film Chez nous ("Bei uns") kommt erst am 22. Februar in die Kinos. Doch die fiktive Geschichte einer jungen Krankenschwester, die sich in einem ehemaligen Grubenrevier Nordfrankreichs zu einer lokalen Kandidatur für die Rechtsextremisten überreden lässt, sorgt bereits jetzt für Schlagzeilen – und im Front National (FN) für heiße Köpfe, obwohl man den Film dort noch gar nicht gesehen hat.

Nach Bekanntwerden des zweiminütigen Trailers meinte Parteivize Florian Philippot, es sei "skandalös", dass dieser "Anti-FN-Film" mitten in der Präsidentschaftskampagne erscheine. Ein bretonischer Regionalchef der Partei fügte mit abschätzigem Verweis auf die linksurbane "Bourgeois-Bohème" an, es handle sich um einen "Bobo-Film mit Bobos für Bobos". Gilbert Collard, einer der beiden rechtspopulistischen Abgeordneten in der Nationalversammlung, bezeichnet die Filmemacher gar als "Schüler von Goebbels", die auf Kosten der Steuerzahler einen "Propagandafilm" gegen den Front National gedreht hätten.

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Schwachpunkt

Diese Reaktionen offenbaren vor allem, dass der belgische Regisseur Lucas Belvaux bei den Frontisten ganz offensichtlich einen Schwachpunkt getroffen hat. Dabei hat die auf einem Krimi basierende Story des Drehbuch-Coautors Jérôme Leroy durchaus ihre Mängel. Bis zum Schluss bleibt unplausibel, warum sich die unpolitische Krankenschwester Pauline für den "Patriotischen Block" – alias Front National – engagieren lässt. Ihr Vater ist ein Kommunist, der den alten Bergbauzeiten nachhängt, und die junge Frau (gespielt von Émilie Dequenne) kümmert sich in der Tristesse des industriellen Nordens nicht nur um Senioren in ihren zerfallenden Arbeiterhäuschen, sondern wie selbstverständlich auch um Einwandererfamilien der Banlieue-Zone.

Überzeugender ist die Rolle des Hausarztes Berthier (André Dussollier), der Pauline in die "nationale Volksbewegung" holt – denn so nennt sich die Fassadenorganisation offiziell. Ihr Pendant in der realen Politik ist die "marineblaue Sammlungsbewegung" (RBM) von Marine Le Pen, die auf das Flammenlogo des Front National verzichtet und dafür wie die Sozialisten eine Rose zum Emblem gewählt hat, um zusätzliche Wähler anzuziehen. Chez nous entlarvt über diese Maskerade das Doppelspiel der Wirklichkeit: Die RBM will nicht mit der Stammpartei gleichgesetzt werden, doch die angegebene Telefonnummer auf der Homepage ist die gleiche wie die des Front National.

Macht als Hauptziel

Im Film versteht sich Pauline anfangs sehr gut mit der Parteichefin, die mit ihrer blonden Haartracht wie ein Double Marine Le Pens wirkt. Zu zweifeln beginnt die energische Krankenschwester erst, als sie als Bürgermeisterkandidatin nicht einmal Einsicht in das Wahlprogramm erhält, das sie verfechten sollte. Diese Vorschläge seien unwichtig, meint Doktor Berthier. Entscheidend sei: "Wir sind fast an der Macht angelangt – und dafür kämpfe ich seit 40 Jahren!"

Berthier selbst vermeidet nach außen hin auch jeden Kontakt zu einem bewaffneten Kommando, das Migranten und Maghrebiner jagt; bei Bedarf setzt er es aber selbst für seine Zwecke ein. Der Film schlägt damit einen direkten Bezug von der "nationalen Volksbewegung", die sich "weder links noch rechts" nennt, bis zu den braunen Schlägern.

Von diesen Hintergrundverbindungen ist im Trailer noch nicht einmal die Rede. Es lässt sich leicht ausmalen, wie die Exponenten des Front National reagieren werden, wenn sie den ganzen Film gesehen haben. (Stefan Brändle aus Paris, 4.2.2017)