Bukarest – Auf Druck tagelanger Straßenproteste zieht Rumäniens Regierung eine umstrittene Eilverordnung zurück, die eine Strafverfolgung von Amtsmissbrauch erschwert hätte. Das sagte Ministerpräsident Sorin Grindeanu am Samstagabend in Bukarest. "Wir haben die Stimme der Straße gehört", sagte Grindeanu. Die Aufhebung werde am Sonntag in einer Sondersitzung der Regierung erfolgen.

"Ich möchte und wünsche nicht, dass wir Rumänien spalten", sagte der sozialdemokratische Politiker nach Angaben der Nachrichtenagentur Agerpres. "Es hat sich ein Spalt in der Gesellschaft aufgetan", fügte er in Anspielung auf die Massenproteste hinzu.

Die Bürger hätten den Inhalt der Verordnung wegen mangelhafter Kommunikation nicht verstanden, sagte Grindeanu. Dafür trage Justizminister Florin Iordache die Verantwortung.

Amnestie

Die Regierung hatte versucht, die umstrittene Verordnung als Reformmaßnahme zur Entlastung des Justizsystems zu verkaufen, insbesondere der überfüllten Gefängnisse. Kritiker wiesen aber darauf hin, dass zahlreiche Spitzenpolitiker von der Lockerung der Anti-Korruptions-Regeln profitiert hätten. Mit dem Dekret waren mehrere Vergehen für straffrei erklärt worden. Amtsmissbrauch sollte nur noch mit Gefängnis geahndet werden, wenn der Streitwert über 44.000 Euro liegt. Darüber hinaus plante die Regierung eine Amnestie von Straftätern, die zu weniger als fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurden.

Einer der Profiteure des Dekrets wäre der Vorsitzende der regierenden Sozialisten (PSD), Liviu Dragnea, gewesen, der wegen Wahlbetrugs von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen ist. Er gab am Samstag Grünes Licht für ein Einlenken der Regierung. In einem Interview kündigte er einen Vorschlag an, um den Straßenprotesten ein Ende zu bereiten. Er wolle verhindern, dass "Rumänen mit Rumänen in Konflikt geraten", da zu erwarten sei, dass "fast eine Million" PSD-Anhänger auf die Straße gehen.

Die am erst am Dienstag verabschiedete Verordnung hatte Massenproteste und scharfe internationale Kritik ausgelöst. Staatspräsident Klaus Iohannis (Johannis) hatte dagegen eine Verfassungsklage eingereicht. Er hatte sich am Freitag am Rande des EU-Gipfels in Valletta "sehr besorgt" gezeigt, aber auch optimistisch, dass es zu einer Lösung kommen werde. "Ich vertraue meinen Rumänen", betonte er.

Die Demonstrationen waren die größten seit dem Sturz des kommunistischen Machthabers Nicolae Ceausescu vor 25 Jahren. Am Samstag zogen neuerlich Zehntausende Demonstranten zum Regierungsgebäude und dem Parlament. Sie machten mit Trillerpfeifen und Vuvuzelas in den Nationalfarben auf sich aufmerksam. Schon am Freitagabend hatten landesweit etwa 250.000 Menschen demonstriert, in der Hauptstadt Bukarest versammelten sich etwa 100.000 Demonstranten. (APA, 4.2.2017)