In seiner umfassenden Geschichte der Korruption (S. Fischer 2014) beschrieb der deutsche Historiker Jens Ivo Engels mit kuriosen Beispielen, wie öffentliche Amtsträger von der Frühen Neuzeit bis in unsere Tage ihre Stellung missbrauchten. Über alle ideologischen Gräben hinweg trugen Vetternwirtschaft, Bereicherung und Amtsmissbrauch zum Misstrauen gegen die politischen Eliten bei.

Der Kampf gegen Korruption steht auch heute auf den Fahnen populistischer-autoritärer Bewegungen, unabhängig davon, dass diese nach ihrem Triumph das enorme Potenzial der Selbstbedienung im Amt schamlos ausnützen. Dass die politische Korruption immer wieder neue Variationen – ohne Rücksicht auf Parteifarben – produziert, erleben wir gerade dieser Tage.

Rumänien ist in dieser Hinsicht schon in der Zwischenkriegszeit ein europäisches Sorgenkind gewesen. Nun stellte aber ausgerechnet eine sozialdemokratische Regierung in Bukarest einen traurigen Rekord bei den korrupten Verwicklungen innerhalb der EU auf. Sie hatte trotz Mahnungen aus Brüssel und Protesten des Staatschefs tausenden korrupten und verurteilten Amtsträgern, (einschließlich des sozialdemokratischen Parteivorsitzenden) Strafffreiheit beziehungsweise vorzeitige Haftentlassung durch eine Eilverordnung gewährt.

Hunderttausende gingen auf die Straße, um gegen die Aufweichung der Korruptionsgesetze zu demonstrieren. Die größten Massenproteste seit der Wende haben die Regierung zur Rücknahme der empörenden Beschlüsse gezwungen, aber das ändert an der Selbstentlarvung der sich als Sozialdemokraten gerierenden Machthaber freilich nichts.

Im Gegensatz zu Rumänien wird in Frankreich am Vorabend der Präsidentschaftswahlen das bürgerliche Lager durch einen Skandal der Vetternwirtschaft erschüttert, der der Kandidatin des rechtsradikalen Front Nationale, Marine Le Pen, einen weiteren Auftrieb verleihen könnte. Bis vor kurzem galt der Expremier François Fillon, der die parteiinterne Vorwahl der Bürgerlichen haushoch gewonnen hatte, als der aussichtsreichste Kandidat im entscheidenden zweiten Wahlgang gegen Le Pen. Er präsentierte sich als "Kandidat der Wahrheit" und als tadelloser Politiker an der Staatsspitze, der größtmögliche Disziplin, Fleiß und Anstand empfahl.

In wenigen Tagen geriet Fillon allerdings aufgrund trüber und unmoralischer Finanzpraktiken ins Zwielicht und in einen unaufhaltsamen Abwärtsstrudel. Der Moralprediger führte als fiktive Assistentin jahrelang seine Frau, die insgesamt 831.440 Euro verdient hatte. Im Zeichen seiner wohl unentschuldbaren Habgier hatte der Biedermann zeitweilig sogar seine zwei Söhne beschäftigt. Er schafft mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den zweiten Wahlgang nicht.

Der linkssozialistische Kandidat Benoît Hamon ist chancenlos. Der überraschende Hoffnungsträger der europafreundlichen liberalen Rechten und gemäßigten Linken und vor allem der jungen Generation ist der unabhängige Kandidat, der 39 Jahre alte frühere Wirtschaftsminister Emmanuel Macron. Ein Sieg Le Pens wäre jedenfalls eine politische und finanzielle Katastrophe für die EU. (Paul Lendvai, 6.2.2017)