Der mit einem Zuwachs von vier Prozent bestätigte Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl durfte sich nicht lange mit dem Feiern seiner rund 38 Prozent – eines Werts, den er zuletzt vor zehn Jahren schaffte – aufhalten. Denn schon am Montag begannen die Vorbereitungen zu Nagls wohl bisher schwierigsten Koalitionsverhandlungen.

Noch bevor die Briefwahlergebnisse vorlagen, mit denen sich ein Mandat von der SPÖ zur KPÖ verschoben hatte, machten diverse Koalitions- und Personalspekulationen die Runde. Als dann die SPÖ am Nachmittag Gewissheit darüber erlangte, dass sie tatsächlich ihren Stadtratssitz verliert, wusste man auch in ÖVP-Kreisen, dass es nun für eine Koalition "ganz, ganz schwer" werden würde. Denn auch mit den Grünen, die sich vehement gegen den Bau des Murkraftwerkes gewehrt hatten, wäre die Zusammenarbeit heikel.

Kein Gespräch mit Kommunistin

Dass jetzt ausgerechnet Elke Kahr (KPÖ), die einzige Fraktionsführerin, mit der Nagl jedes Gespräch verweigert, mit einem zweiten Regierungssitz gestärkt wurde, macht die Lage nicht leichter für ihn. Mit ihr, der zweitstärksten Fraktion, ginge sich sogar eine Zweierkoalition aus – die einzige neben der schwarz-blauen Variante. Nagl kündigte allerdings bereits an, Kahr sogar als Vizebürgermeisterin verhindern zu wollen, obwohl ihr der Posten eigentlich zustünde. Mit wem die langjährige Wohnungsstadträtin Kahr nun den zweiten Regierungssitz besetzen wird, hänge vom Ressort ab, heißt es aus ihrer Partei.

Die SPÖ kann Nagl nur noch im Gemeinderat mit Stimmen aushelfen, hat aber darauf sichtlich wenig Lust: "Wir werden mit Sicherheit eine sehr kantige und profilierte Politik in den nächsten Jahren betreiben", sagt SPÖ-Chef Michael Ehmann im Gespräch mit dem Standard. Aus dem Büro Nagl heißt es dennoch, eine "Koalition mit Grünen und SPÖ sei eine von zwei Varianten". Denn im Stadtsenat hätten Grüne und ÖVP vier der sieben Sitze.

Gerüchte über neue FP-Spitze

In der FPÖ, so läuft im Rathaus seit Montag das Gerücht, will man sich jedenfalls koalitionsfit machen und den FPÖ-Spitzenkandidaten und Stadtrat Maria Eustacchio ablösen. Für ihn soll ein Mitarbeiter des FPÖ-Landeschefs Mario Kunasek oder eventuell ein steirischer Bundespolitiker, konkret der Nationalratsabgeordnete Axel Kassegger kommen. Kassegger ist stellvertretender Aufsichtsratschef der Grazer Holding und Mitglied einer Burschenschaft. Zumindest soll ein anderer als Eustacchio als "Verhandlungsführer" eingesetzt werden.

Dass Eustacchio abgelöst werden könnte, hält man im steirischen FPÖ-Landtagsklub für ein "unhaltbares Gerücht". "Das entbehrt jeder Grundlage und kann nur von politischen Gegnern gestreut worden sein, um Unruhe zu erzeugen", sagt Klubsprecher Philipp Könighofer im Gespräch mit dem Standard. Derartige Spekulationen seien aus derzeitiger Sicht "schlicht nicht richtig".

Nagl will auch mit Grünen und Neos reden. Ohne Neos würde sich weder mit Grünen noch SPÖ eine Mehrheit im Gemeinderat finden. Das Murkraftwerk bleibt auch nach der Wahl der Knackpunkt für die Zukunft der Stadt – mit unverrückbaren Positionen.

Aktivisten blockierten Baumaschinen

Um sechs Uhr morgens am Montag begannen die Rodungen auf der Olympiawiese und an beiden Murufern zwischen Puntigamer Brücke und Puchsteg für das Kraftwerk, dessen Finanzierung noch immer unklar ist. KPÖ, Grüne und WWF kritisierten das scharf. Der Landesgeschäftsführer der steirischen Grünen, Wolfgang Raback, erstattete am Montag Anzeige, weil "gesetzlichen Vorgaben wie die Einhaltung von Sicherheitsabständen beim Fällen nicht eingehalten wurden", wie er sagt. Zudem sei der Radweg abgesperrt worden, ohne vorher die Bevölkerung zu informieren, wie es in der Umweltverträglichkeitsprüfung verlangt wurde. Aktivisten blockierten am späteren Nachmittag die Baumaschinen.

Grüne und lila Bedingungen

Die Grüne Tina Wirnsberger warf Nagl vor, mit den Rodungen "mit Kalkül Tatsachen zu schaffen". Für Verhandlungen bliebe sie "gesprächsbereit, aber Nagl muss sich beim Murkraftwerk eine Volksbefragung zulassen", so Wirnsberger. Es liege jetzt nicht bei ihr, sondern "bei Nagl, Schwarz-Blau zu verhindern". Die Rechtsextremen auf der FPÖ-Liste bleiben, warnt die Grüne.

Für Niko Swatek, der für die Neos in den Gemeinderat zieht, ist ein Ja zum Kraftwerk auch nicht selbstverständlich. Er sei gesprächsbereit, "wenn alle Daten und Fakten auf dem Tisch liegen". Er sei auch für eine Bürgerbefragung.(Walter Müller, Colette M. Schmidt, 7.2.2017)