Der türkische Präsident Erdogan hatte eine Unterlassungsklage gegen Jan Böhmermann und sein Schmähgedicht eingereicht.

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Hamburg – Fast ein Jahr nach der Ausstrahlung des Schmähgedichts des Satirikers Jan Böhmermann über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan will das Hamburger Landgericht am Freitag seine Entscheidung zur zivilrechtlichen Zulässigkeit verkünden. Erdogan will per Unterlassungsklage erreichen, dass es nicht erneut öffentlich vorgetragen wird. Dagegen wehrt sich Böhmermann.

Bereits seit Mai vergangenen Jahres ist es Böhmermann wie berichtet aufgrund einer vorgeschalteten Eilentscheidung der zuständigen Kammer verboten, zahlreiche umstrittene Passagen des Gedichts zu wiederholen. Der Beschluss im sogenannten Hauptsacheverfahren, in dem die Richter die Angelegenheit noch einmal genau überprüfen, wird diese Entscheidung nun ersetzen.

Auch sie wird aber nicht zwingend eine endgültige Klärung herbeiführen. Die unterlegene Seite kann das Urteil anfechten. Böhmermanns Anwalt Christian Schertz kündigte während des Hamburger Verfahrens bereits an, notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht zu gehen.

Anzeige wegen Beleidigung

Das Ende März 2016 in Böhmermanns ZDF-Sendung "Neo Magazin Royale" vorgetragene Gedicht hatte hohe Wellen geschlagen und Erdogan veranlasst, an verschiedenen Fronten juristisch tätig zu werden. Er erstattete eine Anzeige wegen Beleidigung. Die Staatsanwaltschaft Mainz kam später allerdings zu dem Ergebnis, dass keine Beleidigung im strafrechtlichen Sinn vorliegt. Auch eine Beschwerde Erdogans gegen diesen Beschluss blieb erfolglos.

Zugleich klagte der türkische Präsident vor dem Hamburger Landgericht zivilrechtliche Unterlassungsansprüche gegen Böhmermann ein, welche die zuständige Kammer per Eilentscheid in großen Teilen gewährte. Bestimmte Teile des Gedichts nahm sie davon jedoch auch aus.

Politische Kontroversen

In ihrer damaligen Entscheidung bezeichneten die Richter insbesondere jene Passagen des Gerichts als "schmähend und ehrverletzend", in denen es sexuelle Bezüge gab. Zwar gelte für Satire ein großzügigerer Maßstab, diese Zeilen und andere Passagen mit religiöser Verunglimpfung und rassistischen Vorurteilen überschritten allerdings das zulässige Maß.

Während sich Erdogans Rechtsanwalt Michael-Hubertus von Sprenger angesichts dieser Bewertung des Gerichts zum Auftakt des Hauptverfahrens zuversichtlich gab, verteidigte Böhmermanns Prozessbevollmächtigter Schertz es als durch die Meinungsfreiheit des Grundgesetzes geschützten künstlerischen Beitrag. Die vorangegangene Eilentscheidung des Gerichts nannte er rechtlich unzulässig.

Die Vorgänge um das Schmähgedicht hatten auch für politische Kontroversen gesorgt. Die Bundesregierung geriet in die Kritik, weil sie die strafrechtlichen Ermittlungen nach Erdogans Anzeige bei der Staatsanwaltschaft genehmigte. Diese fußten auf dem Paragrafen 103 des Strafgesetzbuchs, der für die Beleidigung ausländischer Staatschefs geschaffen worden war. Er soll zum 1. Jänner 2018 abgeschafft werden.

Künftig müssten sich entsprechende Klagen dann auf den normalen Beleidigungsparagrafen des Strafgesetzbuchs beziehen. Ein Unterschied besteht dabei insbesondere im Strafmaß.

Die Affäre um das Gedicht beschäftigte auch Verwaltungsgerichte. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gab einem Journalisten in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren vor etwa einem Monat Recht. Dieser will das Auswärtige Amt dazu zwingen, Auskunft über seine rechtliche Bewertung des Schmähgedichts zu geben. Das Außenamt hatte dies mit der Begründung abgelehnt, dass Folgen für die diplomatischen Beziehungen drohen könnten. (APA, AFP, 7.2.2017)