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Der Körper reagiert auf negativen Stress: Das Herz schlägt schneller, Blutzuckerspiegel und Blutdruck steigen, die Atmung beschleunigt sich, die Konzentrationsfähigkeit und Gedächtnisleistung lassen nach.

Foto: Reuters/MOHAMED ABD EL GHANY

München – Stress gehört zum Leben, manchmal ist er sogar gut. Experten sprechen in solchen Fällen vom sogenannten Eustress. Werden aber Arbeitsdruck und Sorgen chronisch, so können sie Krankheiten wie Depression und Angststörungen auslösen. Forscher vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie haben nun eine neue Population von Neuronen im Gehirn identifiziert, die verantwortlich für die Reaktion auf chronischen Stress ist. Sie erhoffen sich dadurch neue Behandlungsmöglichkeiten für stressbedingte Erkrankungen.

Finanzielle Sorgen, Probleme am Arbeitsplatz oder Beziehungskonflikte lösen Stress aus. Der Körper reagiert darauf automatisch: Das Herz schlägt schneller, Blutzuckerspiegel und Blutdruck steigen, die Atmung beschleunigt sich. Auch im Gehirn spielen sich entscheidende Veränderungen ab: Furcht und Angst machen sich breit, die Konzentrationsfähigkeit und Gedächtnisleistung lassen nach.

Diese Reaktionen bewirken, dass Betroffene besser mit der Stresssituation umgehen können. Wenn die Belastung jedoch chronisch wird, wenn der Körper ständig mit Stresssituationen fertig werden muss, reagiert das Gehirn nicht mehr angemessen. Die Folge können stressbedingte physische oder psychische Erkrankungen sein.

Hormone freisetzen

Die hormonelle Reaktion auf Stress wird durch die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HPA) reguliert. Dabei geben bestimmte Neuronen in einem Bereich des Hypothalamus den sogenannten Corticotropin freisetzenden Faktor (CRF) ab, der an die Rezeptoren in der Hormondrüse Hypophyse "andockt". Dadurch wiederum wird die Freisetzung eines speziellen Hormons, des adrenokortikotropen Hormons ACTH, aus der Hypophyse in den Blutkreislauf stimuliert.

Das ACTH bindet an die Nebennierenrinde und aktiviert die Synthese einer Klasse von Hormonen, der Glukokortikoide. Dazu zählt auch das Stresshormon Cortisol. Glukokortikoide sind demnach nachgeschaltete Auslöser für die Stressreaktion, wie die Forscher betonen. Neben einer Vielzahl weiterer Aufgaben geben sie die negative Rückmeldung an die HPA-Achse, sich "abzuschalten", wenn der akute Stress vorbei ist.

Was chronischer Stress bewirkt

Die Forscher am Max-Planck-Institut für Psychiatrie haben nun herausgefunden, dass Glukokortikoide noch eine weitere Regulation bewirken. Die Wissenschafter konnten eine bislang unbekannte Population von Neuronen im Hypothalamus entdecken, die den CRF1- Rezeptor auf der Zelloberfläche tragen. "Das Interessante daran ist, dass diese Neuronen in diesem Bereich des Hypothalamus genau dann vermehrt Rezeptoren produzieren, wenn das Glukokortikoid-Niveau hoch ist – wenn also die Stressreaktion des Körpers bereits läuft", sagt Assaf Ramot, Erstautor der Studie.

"Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass es außer dem bekannten negativen Rückkopplungsmechanismus im HPA-System auch einen positiven Verstärkungsmechanismus gibt. Darüber hinaus konnten wir zeigen, dass diese Population von Neuronen aktiver war, wenn wir Mäuse chronischem Stress ausgesetzt hatten als bei akutem Stress. Wir glauben deshalb, dass die betreffenden Neuronen lediglich bei chronischem Stress 'rekrutiert' werden", fasst Studienleiter Alon Chen die Ergebnisse zusammen. (red, 7.2.2017)