Die Autorin Katharina Winkler ist am Mittwoch in der Stadtbücherei Dornbirn zu Gast.

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Die deutsche Sprache kennt "Veilchen" als saloppen Ausdruck für Hämatome. Ähnlich blumig heißen sie im Roman von Katharina Winkler, aus dem die Autorin in Dornbirn liest: "Blauschmuck". Den Begriff wählte Winkler auch als Buchtitel. Er steht für die sichtbaren Spuren systematischer Zurichtungen in einer engen, patriarchalen Umgebung mit unantastbaren Vorstellungen vom Herren im Haus.

Icherzählerin Filiz verwendet ihn, wenn sie vom Aufwachsen im ländlichen, frommen Südostanatolien berichtet: Geschlagen werden zunächst alle, Buben gleich wie Mädchen. Erstere schlagen später selbst – als Vater, Lehrer oder Ehemann. Den anderen bleibt der Blauschmuck in allen Schattierungen. Eine einzige Frau im Dorf trägt keinen – das ist die Außenseiterin, mit ihr sprechen die Geschlechtsgenossinnen nicht. Von der frühen Hochzeit gegen den Willen des Vaters erhofft sich Filiz eine Befreiung, doch erst viele Jahre später entkommt sie den Strukturen häuslicher und "traditioneller" Gewalt.

Das literarische Debüt von Katharina Winkler folgt dem Lebenslauf der Erzählerin, welche, komplett verschleiert, die Arztpraxis von Winklers Vater aufgesucht hatte. Behandlung wurde zu Begleitung, und dieses Vertrauensverhältnis zur Familie wurde zur Grundlage für die heikle Aufgabe, die die 1979 geborene Katharina Winkler sich gestellt hat: der in dutzenden Stunden Tonaufnahmen dokumentierten Geschichte gerecht zu werden und eine Sprache für viel Unsagbares zu finden.

Kaum getrübt ist das positive Echo auf diesen Roman, der vor nunmehr einem Jahr bei Suhrkamp erschienen ist. Im Jänner nahm die zurzeit in Berlin lebende Österreicherin den Mara-Cassens-Preis entgegen. Winkler ist übrigens auch Literaturstipendiatin der Märkischen Kulturkonferenz. (pen, 7.2.2017)