Polarforscher, Fotograf, Biologe: Sepp Friedhuber.

foto: friedhuber

Der Eisbär ist das größte an Land lebende Raubtier der Welt.

Foto: friedhuber

Mit dem Abschmelzen des Eises geht sein Lebensraum verloren.

foto: friedhuber

Salzburg – Die Freude über den Eisbärennachwuchs im Zoo von Berlin war im November vergangenen Jahres riesig. Fritz heißt der possierliche Kleine, der Quasinachfolger des legendären, 2011 verstorbenen Knut. Was im medialen Hype um Fritz meist untergeht: Außerhalb der Zoomauern steht es um die Eisbärenpopulation gar nicht gut. "Im Nordatlantik, vor allem in Spitzbergen, ist die Eisbärenpopulation stark unter Druck", berichtet der Polarexperte Sepp Friedhuber.

Der Biologe, Fotograf, Bergsteiger und Naturfilmer aus Oberösterreich ist Mitglied der internationalen Gruppe Call of the Poles. Die Gruppe aus 200 Prominenten – unter der Patronanz von Albert II. von Monaco – versteht sich als Lobbying-Organisation für den Schutz der Polarregionen.

In den vergangenen zwei Jahren habe es auf Spitzbergen so gut wie keinen Eisbärennachwuchs mehr gegeben, berichtet Friedhuber im STANDARD-Gespräch. Durch den Temperaturanstieg gebe es einfach zu wenig Schnee und Eis.

Die Bärinnen brauchten an Land den Schnee, um sich über den Winter einzugraben und dort ihre anfangs kaum ein halbes Kilogramm schweren Jungen großzuziehen. Wenn die Muttertiere dann im März aus der Höhle kommen, hätten sie rund 150 Kilogramm verloren. Die ursprünglich rattengroßen Jungtiere hätten dann schon ein Gewicht von etwa 15 Kilogramm.

Walross und Co

Ohne Eisflächen könne aber die Bärin nicht jagen und in der Folge ihre Jungen nicht weitersäugen. Die Kleinen verhungern. Seiner Schätzung nach gibt es im Bereich Spitzbergen bestenfalls noch 3000 bis 5000 Eisbären. Etwas besser als im norwegischen Spitzbergen stehe es derzeit noch um die Population in Grönland, sagt Friedhuber. Dort würden die Tiere aber bejagt.

Dass Friedhuber, wenn er über die Probleme in der Arktis spricht, zuallererst einmal mit den Eisbären beginnt, hat einen guten Grund: Das größte Landraubtier ist – obwohl auch für den Menschen in direkter Begegnung sehr gefährlich – ein echter Sympathieträger und zieht eben viel Aufmerksamkeit auf sich. Siehe Fritz, siehe Knut.

Eine ähnliche Geschichte könne er aber auch über die Walrösser erzählen, sagt Friedhuber. Die mächtige Robbenart braucht die Eisschollen als Rastplätze und um ihre Jungen auf die Welt zu bringen. Ihre Hauptnahrung, Muscheln und Krebse, werde weniger.

Aber auch "für den Papageientaucher wird es eng". Durch die Erwärmung würden sich die Aale immer weiter nach Norden zurückziehen, den Vögeln gehe die Nahrung aus.

Eisgrenze

Friedhuber, der vor allem mit der russischen Polarflotte im Nordatlantik unterwegs ist und mehr als 30 Schiffsfahrten in die Arktis unternommen hat, zeichnet ein dramatisches Bild von der Situation im hohen Norden: "Der Golfstrom kommt um zwei bis drei Grad wärmer daher. Aktuell entspricht die Eisfläche jener, die noch vor 20 Jahren im Sommermonat Juli zu finden war." Die Eisgrenze habe sich auch um mehrere Hundert Kilometer nach Norden verschoben. Wobei auf längere Sicht die Erhitzung des Planeten dazu führen könnte, dass der Golfstrom versiege und weite Teile Nord- und Mitteleuropas wieder zur unbewohnbaren Eiswüste würden.

Schweres Salzwasser

Was paradox klingt, ist für den Polarforscher schnell erklärt: Wenn das Meerwasser friere, werde aufgrund der unterschiedlichen Kristallstruktur von Salz und Eis das Salz aus dem Wasser gedrängt. So entstehe unter der Eisdecke "schweres Salzwasser", das dann am Atlantikboden in die Antarktis fließe. Die durch die Erdrotation angetriebenen Strömungen würden dann genau dieses Wasser in den Golf von Mexiko transportieren, wo es sich erwärme und nach Norden streiche.

Falle nun durch die Erderhitzung das Ausfrieren des Wassers weg, fehle einer der Motoren des Golfstroms, und dieser würde – wie in der vergangenen Eiszeit – zum Erliegen kommen. Wann dieser Effekt eintritt und das System kippt, weiß freilich auch die Wissenschaft nicht zu beantworten. (Thomas Neuhold, 9.2.2017)