Ein übermaltes Graffito in Belgrad zeigt Russlands Präsident Wladimir Putin (li) und US-Präsident Donald Trump. Der Slogan bedeutet "Kosovo ist Serbien".

Foto: AFP PHOTO / ANDREJ ISAKOVIC

Sie stellen ihn als Dinosaurier dar und sprechen von der "Trump'schen Verführung". In Bosnien-Herzegowina, wo die relative Mehrheit der Bevölkerung dem islamischen Glauben anhängt, sorgt das Ansinnen von US-Präsident Donald Trump, Bürger "muslimischer Staaten" nicht mehr in die USA einreisen lassen zu wollen, für enormen Zorn. Die Muslime in Bosnien-Herzegowina orientieren sich eher am Westen – unter anderem wegen der US-Politik unter Bill Clinton, der den Nato-Einsatz im Krieg unterstützt hatte und stets versuchte, die Integrität des Staates Bosnien-Herzegowina zu wahren.

Der postmoderne Populismus des Donald Trump missfällt aber nicht nur den Muslimen auf dem Balkan. Die USA haben bisher in allen Staaten versucht liberal-demokratische Werte zu fördern: mit Geld, Worten und Projekten. In keiner anderen Region in Europa waren die USA und die Nato zudem ein derartig wichtiger Stabilisator wie in Südosteuropa nach den Kriegen in den 1990ern.

Fragile Staaten

Drei Staaten sind besonders fragil, weil sie in ihrer Staatlichkeit von außen oder von innen bedroht werden. Das ist einerseits Mazedonien, das von Griechenland wegen des Namensstreits boykottiert wird. Das ist andererseits der Kosovo, der von Serbien nicht anerkannt wird. Und das ist drittens Bosnien-Herzegowina, dessen Integrität Tag für Tag von der nationalistischen Führung des Landesteils Republika Srpska attackiert wird. Bisher haben die Europäer eher ihre "soft power" walten lassen, die USA waren für ihre klaren Anordnungen bekannt – notfalls auch mit scharfen Drohungen gespickt.

Diese gemeinsame US-EU-Politik ist durch Trump nun gefährdet. Einerseits weil die USA sich unter ihm weniger engagieren wollen und dadurch ein Vakuum hinterlassen, andererseits weil Russland dadurch automatisch stärker wird – und drittens weil die Nato an sich durch Trump geschwächt wird. Russland versucht bereits seit dem Ausbruch der Ukraine-Krise die Nato-Erweiterung auf dem Balkan zu verhindern.

Unterschiedliche Optionen

Der Nato-Beitritt von Montenegro steht bevor – der US-Senat hat den Vertrag allerdings noch nicht ratifiziert. Dazu kommt, dass Russland nicht einmal mehr den EU-Beitritt der Staaten in Südosteuropa unterstützt. Für Bosnien-Herzegowina gäbe es auch andere Optionen, meinte etwa der russische Botschafter in Sarajevo, Petr Iwantsow.

Derselbe Botschafter unterstützte vergangenen September auch das verfassungswidrige Referendum im bosnischen Landesteil Republika Srpska. Es ging dabei um die Beibehaltung eines verfassungswidrigen Feiertags. Die politische Führung der Republika Srpska (RS) ist prorussisch ausgerichtet. Die EU – und allen voran Deutschland – setzte in den vergangenen Jahren darauf, dass der serbische Premier Aleksandar Vučić den RS-Präsidenten Milorad Dodik in Schach halten sollte.

Doch Vučić ist dazu nicht mehr in der Lage. Die politische Führung der RS hat sich längst vom Westen abgewandt und hält sich nicht mehr an den Friedensvertrag von Dayton. Der Hohe Repräsentant von Bosnien-Herzegowina, Valentin Inzko, wird seit Jahren von der Internationalen Gemeinschaft im Stich gelassen – ohne deren Unterstützung kann er keine Sanktionen setzen.

Völkischer Nationalismus

Die EU-Staaten waren nun nicht einmal in der Lage, vor zwei Wochen die Sanktionen der USA gegen Dodik zu unterstützen, den Hauptprotagonisten der Sezessionsbestrebungen der RS, der einen immer radikaleren völkischen Nationalismus verfolgt. Die Sanktionen waren Obamas letzte Aktion auf dem Balkan. Denn eine Abspaltung der RS würde die gesamte Region destabilisieren und in Bosnien-Herzegowina zu gewaltigen Spannungen führen – möglicherweise sogar zu gewaltsamen Konflikten.

Ob die EU-Staaten das nun verstehen oder nicht: Dodik meint es ernst mit der Sezession. Er will 2018 ein Referendum abhalten, um die RS abzuspalten und anschließend an Serbien anzuschließen. Dafür spricht, dass die Mehrheit der Bevölkerung in der Republika Srpska, einem Landesteil, der 1995 im Dayton-Abkommen anerkannt wurde, sofort dieses Unterfangen unterstützen würde. Dagegen spricht, dass während des Kriegs (1992–1995) zehntausende Menschen aus diesem Teil von Bosnien-Herzegowina vertrieben oder dort ermordet wurden, einzig und allein deshalb, weil sie katholische oder muslimische Namen hatten. Kriegsziel war es, dass Gebiet "ethnisch" zu säubern, um Großserbien zu schaffen. Wenn man zulassen würde, dass die Republika Srpska unabhängig wird, würden die ethnischen Säuberungen quasi "belohnt" werden.

Wer sind Trumps Einflüsterer?

Was auf dem Balkan in den kommenden Jahren geschehen wird, hängt auch davon ab, wer zu den Einflüstern von Präsident Trump gehört. Denn gerade weil die Trump'sche Art von Politik die Diplomatie unterhöhlt, werden Lobbyisten sehr mächtig. Entscheidend wird auch der neue Vizeaußenminister John Heffern sein, der für Europa zuständig ist. Es gibt auch Anzeichen der neuen US-Administration, dass sie keine neuen Grenzziehungen auf dem Balkan zulassen wird. So hat sich US-Verteidigungsminister James Mattis kürzlich dafür ausgesprochen, dass der Kosovo eine eigene Armee aufbauen solle.

Vergangene Woche besuchte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg den Staat, der sich 2008 mithilfe der USA und der EU für unabhängig erklärt hatte. Mattis sprach sich kürzlich auch dafür aus, dass die internationalen Kfor-Truppen so lange im Kosovo bleiben sollten, als der Staat sich noch nicht selbst verteidigen kann, um die Stabilität zu wahren. Zurzeit sind noch etwa 650 US-Soldaten im Kosovo.

Kosovo und Serbien

Entscheidend für die Stabilität im Kosovo ist eine positive und nachbarschaftliche Haltung des Nachbarstaates Serbien. Der Balkanexperte vom EU-Zentrum CIFE in Nizza, Tobias Flessenkemper, meint, dass die "Russland-Karte", die Belgrad immer in der Hand hatte, in dem neuen geopolitischen Gefüge einen "höheren Wert bekommen hat". Die Nähe Trumps zu Putins Regime sei auch gegen die bisherige euroatlantische Achse gerichtet. Der serbische Premier Aleksandar Vučić – auf den die EU und Deutschland in den vergangenen Jahren setzten – hat in den vergangenen Monaten bereits gezeigt, dass er auch provozieren kann und nicht unbedingt den "Stabilitätsanker" spielen wird, den die Europäer von ihm erwarten.

So gab es nicht nur eine gemeinsame russisch-serbische Militärübung Anfang November, die "Slawische Brüderlichkeit" genannt wurde; Russland schenkte Serbien zudem sechs MIG-29-Militärflugzeuge, 30 Panzer und 20 andere militärische Fahrzeuge. In Sarajevo sah man bereits im August sorgenvoll die gemeinsame "Antiterrorübung" der Polizei von Serbien und des bosnischen Landesteils Republika Srpska. Die Polizeiübung fand an dem Grenzfluss Drina statt, der eine hohe symbolische Bedeutung hat. Die Drina wird von manchen Nationalisten als "das Rückgrat Serbiens" gesehen, sie soll also in der Mitte von "Großserbien" liegen.

Fortgesetzte Provokationen

Die Provokationen setzten sich fort. Im Dezember hatten Kosovo-Serben in Mitrovica eine Mauer auf jener Brücke über den Ibar, die den Norden mit dem Süden verbindet, errichtet. Mitte Jänner schickte Serbien einen Propagandazug in den Kosovo, der die Aufschrift "Kosovo ist Serbien" in 21 Sprachen trug. Vučić stoppte den Zug zwar vor der Grenze zum Kosovo, behauptete dann aber, dass die Regierung in Prishtina einen Krieg vorbereiten wolle. Sein Ton gegenüber dem Kosovo wird immer rauer. Der mehrheitlich serbisch besiedelte Nordkosovo sollte eigentlich aufgrund der Vereinbarungen zwischen Serbien und dem Kosovo in die kosovarischen staatlichen Strukturen integriert werden. Nun wird wieder die Vorstellung genährt, dass eine neue Grenze entlang des Ibar gezogen werden könnte. Der Ibar trennt den Nordkosovo vom Rest des Landes.

Vor einigen Wochen wurde zudem auf Grundlage eines serbischen Haftbefehls der kosovarische Expremier Ramush Haradinaj in Frankreich verhaftet, obwohl die serbischen Interpol-Haftbefehle bezüglich der Kriegsverbrechen seit 2009 gar nicht mehr vollzogen werden sollten. Sie wurden von einem britischen Gericht als "politisch motiviert" beurteilt. Mittlerweile beginnt man auch in der Europäischen Volkspartei zu begreifen, zu welchen Spielen Vučić in der Lage ist. Innerhalb der CDU gibt es Leute, die bereits vor ihm warnen.

Weniger Geld für Demokratisierungsprojekte

Mit der Ära Trump verfallen auch die moralisch-ethischen Ambitionen der bisherigen euroatlantischen Kooperation auf dem Balkan. Die USA unter Trump werden weniger Geld für Demokratisierungsprojekte in der Region ausgeben – oder auch für Anliegen, die für Trump keine mehr sind: etwa die Unterstützung von Frauen oder von sexuellen Minderheiten. Im Juli beginnt das neue Finanzjahr in den USA, und auf dem Balkan wird die Zivilgesellschaft die neue Administration zu spüren bekommen. Wer nicht ins Konzept passt, wird nicht weiter gefördert werden.

Das ist bereits in Mazedonien zu sehen. Das Land, das im geopolitischen Spannungsfeld zwischen Russland und der EU steht, schlitterte 2015 in eine schwere politische Krise. Seit Trump an der Macht ist, steht nun der US-Botschafter in Skopje, Jess Baily, unter Beschuss. Kürzlich forderte der führende Republikaner Christopher Smith eine Untersuchung gegen Baily, weil sich dieser angeblich einseitig für die oppositionellen Sozialdemokraten eingesetzt habe. Fünf republikanische Abgeordnete warfen Baily in einem Brief vor, dass er sich in die mazedonische Innenpolitik eingemischt habe und zu enge Kontakte zu NGOs unterhalte, die George Soros nahestünden. Offensichtlich geht es darum, liberal-demokratische Werte anzugreifen.

Andere Prioritäten

Tatsächlich war Baily in den vergangenen Jahren sehr aktiv. Gemeinsam mit der EU hatten die USA Demokratisierungsversuche unternommen, nachdem das Land unter der Führung von Nikola Gruevski immer mehr ins Autoritäre abgedriftet war. Die EU-US-Zusammenarbeit in Mazedonien in den vergangenen zwei Jahren galt als beispielhaft. Die Rollen waren klassisch verteilt – wie das in den vergangenen 20 Jahren auf dem Balkan der Fall war. Die EU vermittelte, die US-Vertreter hauten am Ende auf den Tisch. Und das funktionierte.

Aber offenbar ist genau das unter Trump nicht mehr erwünscht. Deshalb ist zu erwarten, dass der Autoritarismus auf dem Balkan weiter zunehmen wird und die Demokratie und die bürgerlichen Freiheiten noch mehr unter Druck geraten. Auch deshalb wollen Jahr für Jahr mehr Menschen aus der Region auswandern. (Adelheid Wölfl, 9.2.2017)