Ein HTL-Schüler testet bei einem Workshop an der Fachhochschule St. Pölten die HTC Vive, eine Virtual-Reality-Brille. Nicht nur im Gaming-Bereich würden derlei Technologien künftig eine wichtige Rolle spielen, sagen Experten.

Foto: Lisa Breit

Wien – Erste Ansätze erweiterter und virtueller Realitäten entstanden in den 1960er-Jahren, seitdem beschäftigen sie Forscher. Virtual Reality (VR) lässt den Nutzer eines entsprechenden Tools in eine Parallelrealität eintauchen. Er kann sich in ihr bewegen, sie erkunden, wie in einem interaktiven Videospiel.

Augmented Reality (AR) erweitert die echte Welt um virtuelle Objekte – sie lassen sich projizieren oder anzeigen. Möglich ist das mittlerweile nicht mehr nur mit speziellen Brillen, sondern auch mit anderen Geräten wie Laptops, Tablets oder Smartphones. Ein Beispiel ist das Spiel Pokémon Go, in dem man gegen Monster in seiner Umgebung kämpft. An den Fachhochschulen beschäftigen sich Studierende mit Einsatzmöglichkeiten der Technologien. Ein Überblick über aktuelle Forschungsprojekte und Studienangebote:

  • "Augmented und Virtual Reality spielen eine große Rolle in unserem Studium", sagt Alexander Hofmann, Leiter des Master-Studiengangs Game Engineering & Simulation an der Fachhochschule Technikum Wien. "Einerseits geht es um aktuelle Technologien, andererseits beschäftigen sich unsere Studierenden intensiv mit Game-Design." In einer Lehrveranstaltung entwickeln die Teilnehmer etwa mit der Oculus-Rift-Brille ein Flooding-Szenario, und zwar in Zusammenarbeit mit dem Psychologen und Psychotherapeuten Manuel Sprung. "Dabei werden Klienten zur Therapie einem simulierten Kontakt mit ihrer Phobie ausgesetzt. Der Therapeut beobachtet sie und kann auf einem weiteren Computer im Netzwerk die Intensität erhöhen", so Hofmann gegenüber dem STANDARD. Ein weiteres Projekt verknüpft Sandspielen mit Computerspielen: "Spieler können auf klassischem Wege Sandburgen, Hügel und andere Objekte bauen, die anschließend von Sensoren gescannt und in die virtuelle Welt übertragen werden."
  • Verschiedene Lehrveranstaltungen widmen sich an der Fachhochschule Vorarlberg VR- und AR-Technologien: Immersive Interfaces und 3-D-Computergrafik und Animation sind Beispiele. Außerdem laufe ein einschlägiges Forschungsprojekt, sagt Miglena Dontschewa, Head of Virtual Reality am Department of Computer Sciences. "Anliegen war das Redesign eines medizinischen Geräts. Wir haben neue Formgestaltungen vorgeschlagen und anhand von 3-D-Modellen und 3-D-Animationen visualisiert und Funktionen gezeigt."
  • An der Fachhochschule Kärnten sind virtuelle und erweiterte Realität unter anderem im Studiengang Medizintechnik Thema. Auf dem Programm stehen einschlägige Lehrveranstaltungen: "Computergrafik", "Augmented Reality" und "Visualization in Medicine". In einem Projekt – "Augmented Anatomy Atlas" – sollte mittels AR visualisiert werden, wie der menschliche Körper aufgebaut ist. Dazu wurden 3-D-Modelle der inneren Organe direkt auf das Kamerabild eines Menschen projiziert.Derzeit arbeite man außerdem an einem Curriculum mit Schwerpunkt Medien-IT, wo AR und VR eine zentrale Rolle spielen sollen. Der geplante Start ist 2018.
  • Zu Einsatzmöglichkeiten von Virtual und Augmented Reality für die Behandlung wird an der Fachhochschule Gesundheitsberufe Oberösterreich geforscht. Aufbauend auf den Erkenntnissen des schwedischen Medizintechnikers Max Ortiz-Catalán untersucht ein Bachelorstudent, wie erweiterte Realität Phantomschmerzen nach Amputationen mindern kann. "Obwohl das Glied fehlt, wartet die Hirnregion auf Signale, die allerdings nicht eintreffen. Das Gehirn ist quasi verwirrt, was Phantomschmerzen verursacht", erklärt Projektmitarbeiter Herbert Schachner, der an der Hochschule Bewegungslehre und Biomechanik lehrt. Mit AR werden dem Patienten die fehlenden Gliedmaßen virtuell hinzugefügt, er hat den Eindruck, sein Körper wäre wieder komplett. "So wird das Gehirn überlistet, die Schmerzen lassen nach", sagt Schachner.
  • An der Fachhochschule Salzburg werden Augmented und Virtual Reality als Schwerpunkt im Medieninformatik-Studiengang MultiMediaTechnology angeboten. Themen sind unter anderem Computergrafik, grafische Simulation und Webentwicklung. Im VR-Lab der Hochschule – wo sich auch die neuesten Datenbrillen finden – arbeiten Studierende und Forscher an Anwendungen in den Bereichen Unterhaltung, Gesundheit und Industrie. Auch im Studium Tourismus sind virtuelle Realitäten Thema: Eine Forschergruppe untersucht Einsatzmöglichkeiten in der Branche.
  • Für den Medienbereich könnten virtuelle Realitäten künftig ebenfalls neue Potenziale bieten, sagt Nikolaus Koller, Leiter des Instituts für Journalismus und Medienmanagement an der Fachhochschule Wien der WKW. "Wir als Ausbildungsstätte befassen uns damit natürlich" – schließlich werde der Einsatz Spezialisten erfordern. Bevor man allerdings konkrete Ausbildungsangebote konzipiert, wolle man erst abwarten, wie Medienunternehmen die neue Technik einsetzen. "Studierende in Kontakt mit entsprechenden Tools zu bringen wird jedenfalls unser Auftrag sein", sagt Koller. Auch Forscher am Institut für Immobilienwirtschaft widmen sich dem Thema. Projekte sollen zeigen, wie VR etwa für die Besichtigung noch nicht fertiger Wohnungen eingesetzt werden kann. "Digitale Bilder am Computer oder eine spezielle Brille zeigen dem Interessenten, wie die Wohnung aussehen könnte, noch bevor überhaupt mit dem Bau begonnen wurde", sagt Peter Sittler, Professor für Immobilienwirtschaft an der FH der WKW und Experte für digitale Trends in der Branche. Mittels AR würden auf der Kamera des Smartphones zusätzliche Informationen angezeigt. "Dadurch sieht man auf der noch unbebauten Wiese, wie sich das geplante Gebäude in die Umgebung einfügt oder die künftigen Wohnungen gestaltet sind."
  • An der Fachhochschule des BFI Wien spielen die Trendthemen im Studiengang Film-, TV- und Medienproduktion eine Rolle. Studiengangsleiter Kai Erenli beschäftigt sich mit rechtlichen Fragen. Studierende untersuchten in Bachelorarbeiten die Auswirkungen auf die Film- und Gamebranche und entwickelten Konzepte für eine AR-Skibrille. Darüber sollen Kunden mit dem Skigebiet kommunizieren können. "Vorgesehen sind auch Funktionen wie ‚Navigation auf der Skipiste‘, ‚Freunde finden‘ und ‚Virtuelle Skirennen fahren‘", sagt Erenli. (Lisa Breit, 13.2.2017)