Die Berlinale pflegt schon lange ihren Ruf als prononciert politisches Festival, auch wenn niemand so genau zu definieren vermag, wie ein entsprechendes Kino tatsächlich auszusehen hätte. Der Einfachheit halber einigt man sich dann auf Inhalte, also auf tagesaktuelle oder anderweitig wichtige Themen. Als Filmemacher erweckt man damit schnell einmal den Anschein von Engagement.

Ein Musikgenie auf der falschen Bühne: Django Reinhardt (Reda Kateb) in Étienne Comars Musikerdrama "Django".
Foto: Roger Arpajou

Dass dieser Weg jedoch in vielen Fällen geradewegs zum faulen Kompromiss führt, zeigte sich bei der am Donnerstag eröffneten 67. Ausgabe der Berlinale bedauerlicherweise gleich beim Auftaktfilm, Étienne Comars Django. Der Franzose Reda Kateb verkörpert den Gitarrenvirtuosen Django Reinhardt im von den Nazis besetzten Paris des Jahres 1943, einen Filou mit schmalem Clark-Gable-Schnurrbart, an dem die Weltgeschichte bisher vorbeigerauscht ist.

Gleich zu Beginn leistet er sich beim Auftritt in einem auch von deutschem Militär besuchten Theater eine gehörige Verspätung. Doch die ansonsten so zackigen Soldaten kapitulieren vor dem Swing seiner flinken Hände, es reißt sie von den Stühlen. Django Reinhardt, ein Manusch wohlgemerkt, also ein französischer Sinto, wird sogar heim ins Reich geladen, um vor Goebbels zu spielen.

Ein unpolitischer Musiker

Django erzählt vor diesem Hintergrund davon, wie der betont unpolitische Musiker, dessen Leidenschaft nur der Musik gehört, zu einem Menschen reift, der sich seiner Verantwortung bewusst wird. Veranschaulicht werden soll dieser Prozess anhand einer schwerfällig inszenierten Fluchtgeschichte. Von seiner Muse Louise de Klerk (Cécile de France) angestoßen, entscheidet sich Reinhardt, Frankreich zu verlassen, er wird auf dem Weg jedoch immer wieder aufgehalten, nur um sich ein weiteres Mal mit den Nazis zu arrangieren oder sich endlich heroisch mit ihnen zu überwerfen.

Comar, der sich bislang vor allem als Produzent einen Namen machte, lässt in seinem Regiedebüt keine noch so ausgehöhlte Konvention des Historiendramas aus. Das Geschehen läuft viel zu oft auf schematische Gegenüberstellungen hinaus – hier das Musikgenie, das keine Noten lesen kann, dort der Herrenmensch, der die Urkräfte dieser Kunst zähmen versucht. Interessanter wäre es gewesen, diese beiden Ebenen so zu verunreinigen, dass innere Konflikte entstehen, die eben nicht einfach aufzuschlüsseln sind.

So jedoch wirken die Figuren in Django so eindimensional, dass nicht einmal der Schrecken des historischen Moments greifbar wird. Den in ausgeblichene Farben getauchten Szenen fehlt es nicht nur an Prägnanz, sondern auch Rhythmusgefühl. Selbst die Musikszenen gehen Comar schwer von der Hand. Wenn sich Django beim Musizieren einmal hinter seinem Hut in der zweiten Reihe versteckt, um nicht erkannt werden, kommt man nicht umhin, die Szene symbolisch zu verstehen. Dieser Film gibt seinem Helden die falsche Bühne. (Dominik Kamalzadeh aus Berlin, 9.2.2017)

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