Die Trenerka gilt auch auf dem Balkan manchen als "primitiv". Orte mit hoher "Trainingshosendichte" werden "olympische Dörfer" genannt. Der Bezug zum Sport wird damit ironisiert.

Foto: Regine Hendrich

Sie entscheidet mitunter darüber, ob du auf der Straße ernst genommen wirst. Die Trainingshose der coolen Jungs, glänzend, oft schwarz, natürlich Streifen an der Seite, selbstverständlich mit Sonnenbrille getragen, gehört auch zum Aufrissaccessoire. Wer auf dem Balkan mit solchen "Trenerkas" auf der Straße auftaucht, ist meist selbstbewusst, die Mode steht für Urbanität und für Street-Credibility, aber auch für gelassene Männlichkeit.

Die Hosen gelten als viril, ihre Träger strahlen Souveränität aus. Anders als in Mittel- und Nordeuropa sind die Trainingshosen in vielen Kontexten tragbar, sie sind mit anderen Codes besetzt.

Die Trainingshosengrenze in Europa verläuft irgendwo unterhalb von Zagreb, die Trainingshosendichte ist in Bosnien-Herzegowina schon beträchtlich höher, in Montenegro entkommst du ihr nicht, in Serbien ist sie ganz normale Fashion. Leider ist das Phänomen wissenschaftlich noch nicht erforscht. Doch die Beinkleider aus glänzendem Polyamid und weichfallender Baumwolle sind auch mit den Einwanderern vom Balkan längst in die Vorstädte Mittel-, West- und Nordeuropas gekommen.

Fließende Übergänge

Ein paar Thesen. Erstens: Die Trainingsanzüge – eigentlich Sport- und Freizeitkleidung – könnten auch deshalb zur Alltagskleidung geworden sein, weil die Übergänge zwischen Freizeit und Arbeit auf dem Balkan fließender sind, weil die Arbeitslosigkeit so hoch ist und die Jobs oft nur ein, zwei Stunden dauern. Es zahlt sich also gar nicht aus, sich für den Beruf umzuziehen. Der Tag hat für viele keine Berufsstruktur.

Zweitens: Die Beliebtheit und Selbstverständlichkeit der Trenerka hat möglicherweise etwas mit der "Dimije", jenen schlabberigen stoffreichen Hosen für Frauen zu tun, die aus der osmanischen Tradition stammen. Betrachtet man die in den letzten Jahren modern gewordenen Jogginghosen, die rund um den Hintern weit geschnitten sind, könnte man sogar von "Dimije-Kopien" sprechen.

Referenzen der Arbeiterklasse

Drittens: Im ehemaligen sozialistischen Jugoslawien orientiert sich die Mode weniger an den Mittel- und Oberschichten, nimmt aber gerne Referenzen der Arbeiterklasse auf. Auch in der Musik ist hier Trash oft Kult. Die Trenerka kann in dem Sinn als "Scheiß mich nix"-Markenzeichen der Proletarier gesehen werden, die sie zum Stil erhoben haben und sich damit selbstbewusst über all das angeblich Schöne hinwegsetzen.

Die Trainingshosenträger signalisieren gegenüber den Eliten: "Wir gehören nicht zu euch, und wir wollen das auch gar nicht. Wir sind ohnehin cooler." In Slowenien, wo die Trenerka öfters in jenen Städten zu finden ist, in die in jugoslawischer Zeit Gastarbeiter aus dem Süden kamen, werden die Orte mit hoher Trainingshosendichte "olympische Dörfer" genannt – der Bezug zum Sport wird so ironisiert.

Als der Bürgermeister von Ljubljana – mit serbischen Wurzeln – Zoran Jankovic im Jahr 2011 die Parlamentswahlen gewann, führte die national-konservative Konkurrenzpartei SDS diesen Sieg darauf zurück, dass Leute, "die Trenerka tragen, in großer Anzahl zu den Wahllokalen gingen". Im slowenischen Kontext war das ein abfälliges Statement über Leute aus "Ex-Jugoslawien", die vor langer Zeit aus dem Süden als "Gastarbeiter" nach Slowenien gekommen waren und nun die Wahlen mitbestimmen.

Kollektivabsage an das mitteleuropäische Spießertum

In Ljubljana kam es nach diesem Statement spontan zu einer "Kulturdemonstration", einer Art Solidarität mit dem Balkan-Lifestyle: Die Leute protestierten in Trainingsanzügen auf der Straße. Das war so etwas wie eine Kollektivabsage an das mitteleuropäische Spießertum, das sich naserümpfend vom Trainingshosenmenschen abwendet.

Dabei kann die Trenerka selbst ganz schön spießig sein. Es gibt etwa die Trainingshose des mittelalten Mannes auf dem Balkan: Er trägt sie statt Jeans, weil sie einfach bequemer sind. Manche von den ausgebeulten Dingern sind sogar regenfest und schauen eher aus wie Plastikwanderhosen. Zudem gibt es die "Es ist Wochenende, und ich bin gerade aus dem Bett gekommen"-Trainingshosen: Sie sind immer aus Baumwolle, meist hell wie ein Pyjama und haben unten ein Bündchen, das heißt, sie schließen oberhalb des Turnschuhs ab.

"Die totale Freizeit"

Sie werden von Frauen und Männern gleichermaßen getragen. Am Wochenende hat man den Eindruck, dass durch ihr Auftauchen die Straßen auf dem Balkan zu Wohnzimmern umfunktioniert werden. Es geht darum, die "totale Freizeit" zu demonstrieren – und wirklich niemand kann in so einem Aufzug ernsthaft an Arbeit denken. Wichtig ist auch die Kombination – zur Trenerka gehören einfach Turnschuhe. Bis zum 40. Lebensjahr tragen viele praktisch nur Sneakers.

Orte wie das südserbische Vranje sind zur Beobachtung des Phänomens bestens geeignet. Jeder Zweite trägt hier die Trenerka am Sonntag. Sie hat in diesem Sinne auch etwas Uniformierendes. Die ganz coolen Jungs haben zusätzlich zu den glänzenden Trainingshosen oft auch fast kahl rasierte Köpfe. Mädels, die sich eher in der Modetradition befinden, die in den 1990ern auf dem Balkan entstand, tragen rosa, goldene oder weiße Trenerkas aus Samt mit fett gedruckten Markennamen darauf. Die Marke erhöht das Sozialprestige, die enge Trainingshose zeigt sexuelle Attraktivität.

Dizelander oder Dizelasa

In den kriegerischen 1990er-Jahren kamen die Dizelander oder Dizelasa auf, das waren Typen – benannt nach der Marke Diesel und in Referenz zum Treibstoffschmuggel -, die Handys hatten, aufgemotzte Autos, Waffen und eine riesige Gold- oder Silberkette um den Hals. Manche Leute auf dem Balkan behaupten, dass diese Männer, nur deshalb Trainingshosen tragen, weil sie schneller davonlaufen können, wenn sie bei einem Verbrechen erwischt werden, und weil sie das Diebsgut in den Taschen der Trainingshosen leicht verbergen können.

Für diese Jungs ist die Trenerka eine Street-Uniform. Sie wirkt wie ein Panzer, in dem einem nichts passieren kann, wenn es rau wird. Und sie signalisiert: Zeig Respekt! Auch heute ist ein weit – oft bis zum Nabel – geöffneter Zippverschluss der Trainingsjacke, unter dem man die nackte Haut sehen kann, ein Zeichen für Kampfbereitschaft: Man zeigt Muskeln. Die Trainingsjacke wird von solchen Typen auch mitunter mit einer Camouflage-Hose kombiniert – dann kommt so etwas heraus wie "Krieger-Chic", falls es so etwas gibt. Alternativ gibt es auch Typen in Trainingshose mit Lederjacke, die etwa von Kandzija & Toxara feat. Kranksvester besungen werden.

"Kontrolle über das Leben verloren"

Auch auf dem Balkan gilt die Trenerka für viele als "primitiv", ganz im Sinne des Zitats von Karl Lagerfeld: "Wer Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren." Allerdings ist die Trenerka hier eben nicht nur die Kleidung der "Armen" und "Abgehängten", sondern eben auch die Kleidung der "Starken" und derer, die trotz der Armut zu überleben wissen, aber nicht so tun, als könnten sie noch aufsteigen.

Sie ist das Kleidungsstück einer ganzen Region geworden, die es ökonomisch auch in zwanzig Jahren nicht aufs jetzige EU-Niveau schaffen wird, selbst wenn sich alles positiv entwickeln würde, was es überhaupt nicht tut.

Die Trenerka zu tragen kann in diesem Sinne auch als ein Akt des Stolzes und der Abgrenzung von jenen gedeutet werden, die Arbeit haben, aber eben trotzdem um nichts mehr wert sind. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 11.2.2017)