Wien – Die widersprüchlichen Erkenntnisse aus den Obduktionsberichten zum Tod des früheren kasachischen Botschafters in Österreich, Rachat Alijew, haben den Justizsprecher der SPÖ, Johannes Jarolim, auf den Plan gebracht. Er ersucht Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) und die Staatsanwaltschaft Wien, wieder Ermittlungen aufzunehmen, um die Todesumstände zweifelsfrei zu klären. Die Justiz wartet dagegen ein Ergänzungsgutachten der St. Galler Rechtsmediziner ab.

Wie berichtet stellten die Schweizer, die die Leiche Alijews Auftrags der österreichischen Justiz untersucht haben, im Sommer 2015 die Diagnose, dass Alijews Brustbein gebrochen war. Zwar schrieben sie, der Bruch dürfte post mortem entstanden sein (möglich wäre, dass der Knochen bei der Obduktion in Wien gebrochen wurde, Anm.), die Wiener Gerichtsmediziner, die Alijew nach seinem Tod im Februar 2015 obduziert hatten, kamen zum gegenteiligen Schluss: "Das Brustbein ist intakt." Wiener wie St. Galler Mediziner gehen von Selbstmord aus; ein von der Witwe beauftragter Privatgutachter von Fremdeinwirkung. Alijew war in seiner Zelle in der Justizanstalt Josefstadt tot aufgefunden worden.

"Unglaubliche" Fakten

SPÖ-Justizsprecher Jarolim wertet die Fakten, "die erst zwei Jahre nach dem Tod Alijews jemandem aufgefallen sind" als "unglaublich". In der Causa würden "immer wieder auffällige Umstände bekannt, allein das muss dazu führen, dass die Justiz mit größter Akribie und üblichen Standards weiter ermittelt". Die Staatsanwaltschaft Wien hat ihr Verfahren wegen Mordverdachts eingestellt. Alijews Witwe beantragte die Fortsetzung, darüber will die Justiz auf Basis des Ergänzungsgutachtens befinden. Selbiges ist aber noch nicht fertig. Eine vom Minister eingesetzte Expertenkommission urteilte, dass die Staatsanwaltschaft "objektiv und vollständig ermittelt" habe.

Nach dem Tod Alijews kam es zu etlichen Seltsamkeiten. Nach der Auffindung der Leiche wurde selbige bewegt. Der herbeigeholte Geistliche versprühte Weihwasser in der Zelle, drückte der Leiche einen Rosenkranz in die Hände. Hohe Justizbeamte erfuhren erst durch Alijews Anwalt von dessen Tod. Die Schweizer bekamen (fürs Erstgutachten) jene Fotos nicht, die von Leiche und Auffindungsort in der Zelle aufgenommen worden waren. Die wurden ihnen erst fürs Ergänzungsgutachten übermittelt. (Renate Graber, 11.2.2017)