Dieser Flohkrebs der Art Hirondellea gigas stammt aus über 10.000 Metern Tiefe. Er enthält mehr organische Schadstoffe als Krabben aus stark verschmutzten chinesischen Flüssen.

Alan Jamieson, Newcastle University

Newcastle/Wien – Es gibt nicht allzu viele Orte auf diesem Planeten, an denen sich der Mensch noch nicht blicken ließ, und noch viel weniger Regionen sind frei von unseren meist schädlichen Einflüssen geblieben. Selbst in die Tiefen des Marianengrabens, der mit rund 11.000 Metern tiefsten Stelle der Weltmeere, sind bereits zweimal Menschen mit U-Booten hinabgetaucht.

Aber sind nicht wenigstens dort noch die Meeresbewohner unbelastet von der Umweltverschmutzung? Der britische Forscher Alan Jamieson (Uni Newcastle) ist dieser Frage buchstäblich auf den Grund gegangen und hat mit Kollegen Tiefseeflohkrebse aus dem Marianengraben untersucht.

Dramatische Schadstoffwerte

Das Ergebnis war einigermaßen schockierend: Obwohl die Tiere in einer Tiefe von zum Teil mehr als 10.250 Metern gefangen wurden, enthielt ihr Fettgewebe extrem hohe Konzentrationen langlebiger organischer Schadstoffe, die etwa auch in Dioxin, DDT und Flammschutzmitteln enthalten sind. Vor allem die Belastungen mit PCB (polychlorierte Biphenyle) und PBDE (polybromierte Diphenylether) waren deutlich höher als etwa bei Krabben, die in stark belasteten Flüssen in China leben müssen.

Weitere Flohkrebse aus dem Marianengraben: Die enthaltenen Schadstoffe sammeln sich im Fett der Tiere an – und in jenen Lebewesen, die sich von den Krebsen ernähren.
Foto: Alan Jamieson, Newcastle University

Wie lässt sich dieses im Fachblatt "Nature Ecology & Evolution" präsentierte Ergebnis erklären? Leidet der im Westpazifik gelegene Marianengraben deshalb so sehr unter Schadstoffen, weil er unter einer stark frequentierten Schifffahrtsroute liegt?

Um den Ortsfaktor auszuschließen, untersuchten die Meeresökologen auch noch Flohkrebse aus dem ebenfalls über 10.000 Meter tiefen Kermadecgraben nördlich von Neuseeland, 7.000 Kilometer vom Marianengraben entfernt. Doch die Ergebnisse blieben die gleichen.

Unklarer Verschmutzungsweg

Die Autoren selbst erklären die überraschende Anreicherung der Flohkrebse mit den zum Teil längst verbotenen Stoffen damit, dass sie über Algen und organische Partikel aufgenommen werden, die bereits kontaminiert sind.

Doch wie genau die Schadstoffkette aussieht, bleibt unklar. Faktum ist nur, dass sich auch im Fettgewebe von Eisbären und Walarten ähnlich hohe Konzentrationen von PCBs und PBDEs finden. Unklar ist aber, warum die bei den eher kurzlebigen Flohkrebsen schon so hoch ist.

Der Kältefaktor

Die Kälte trage jedenfalls das Ihre dazu bei, erklärt Ralf Ebinghaus (Helmholtz-Zentrum Geesthacht), warum diese spezielle Schadstoffklasse aufgrund der "kalten Kondensation" gerade in entlegenen Regionen wie der Arktis, der Antarktis, in Tibet oder eben in der Tiefsee in höheren Konzentrationen vorkommt als in den Industrieländern selbst.

Das Resümee des Umweltchemikers, der selbst nicht an der Studie beteiligt war: "Wie beim Klimawandel liegen hier Ursache und Auswirkung, Profiteure und Leidtragende räumlich und zeitlich weit voneinander entfernt. Das ist ganz sicher nicht fair!" (Klaus Taschwer, 13.2.2017)