In Europa überwiegt dieser Tage die kaum verhohlene Angst, dass Präsident Donald Trump und seine wichtigsten Berater bereit sein könnten, über die Köpfe der Europäer hinweg einen großangelegten Deal mit Putins Russland zu schließen. Mit den möglichen Folgen dieser "schrecklichen Idee" eines großen Interessenabtausches (so der Londoner Economist) beschäftigen sich Diplomaten und politische Beobachter am Vorabend des Treffens des neuen amerikanischen Verteidigungsministers mit seinen Kollegen von der Nato in Brüssel am Mittwoch.

Im Kalten Krieg ging es nicht nur um Rüstung und Wirtschaft, sondern in erster Linie um Ideale. Damals und auch in der Putin-Ära in Russland galt Amerika als Garant von Freiheit, Demokratie und der liberalen internationalen Ordnung. Als erster US-Präsident seit dem Zweiten Weltkrieg bezweifelte Donald Trump offen den Wert der europäischen Einigung, stellte den militärischen Beistand Amerikas infrage und nannte die Nato "obsolet". All das in einer Zeit, in der Russland mit diplomatischen, geheimdienstlichen und militärischen Mitteln versucht, EU und Nato zu spalten. Zugleich machte Trump keinen Hehl aus seiner Bewunderung für Putins Führungsstärke. Ob Putin tatsächlich kompromittierendes Material über Trump besitzt, muss dahingestellt bleiben.

Fest steht allerdings, dass Trumps rechte Hand, der Nationale Sicherheitsberater Michael Flynn, vor der Vereidigung Trumps in einem abgehörten Telefonat mit dem russischen Botschafter in Washington versprach, alle US-Sanktionen gegen Russland (wegen der militärischen Einmischung in der Ostukraine) abzubauen. Die Washington Post hat unter Berufung auf Niederschriften der Gespräche indes bewiesen, dass Flynn gelogen hat, als er behauptete mit dem russischen Botschafter nie über Sanktionen geredet zu haben.

Wenn man bedenkt, dass es sich um eine solche Schlüsselposition handelt, die einst ein Henry Kissinger unter Nixon und später ein Zbigniew Brzezinski unter Carter bekleidet hat, liegt die Brisanz der Enthüllungen über den umstrittenen Sicherheitsberater auf der Hand. Kein Wunder, dass bei der Nato, so die FAZ, Alarmstimmung herrsche, da das Bündnis von Donald Trump stärker verunsichert worden sei, als es die Sowjetunion in den finstersten Zeiten des Kalten Krieges geschafft habe.

Rückblickend erscheint die Warnung von ehemaligen Präsidenten, Regierungschefs und Außenministern baltischer und osteuropäischer Staaten verständlich, die sich in einem offenen Brief an Trump unmittelbar vor dessen Amtsantritt gegen ein "neues großes Geschäft mit Russland" ausgesprochen haben.

Allerdings hat Trump die Bündnisverteidigung, etwa für die baltischen Staaten im Falle eines russischen Angriffes, mit der Erfüllung der finanziellen Bündnisverpflichtungen verbunden. Jeder Nato-Staat soll mindestens zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben. Neben den USA erreichen aber von den 28 Mitgliedstaaten nur vier Länder dieses Ziel. Trump dürfte also mit Sicherheit bei dem Nato-Gipfeltreffen Ende Mai in Brüssel lautstark mehr Engagement bei der Lastenteilung, auch bei den Kampfeinsätzen, fordern. (Paul Lendvai, 13.2.2017)