Heidelberg – Etwa ein Drittel der Jugendlichen oder jungen Erwachsene, die sich mit Epstein-Barr-Viren (EBV) infizieren, erkrankt am Pfeifferschen Drüsenfieber. Meistens klingen die Symptome wie Halsschmerzen mit starken Schluckbeschwerden, Lymphknotenschwellung und Fieber nach wenigen Wochen wieder ab. Nach einer Infektion verbleiben die Epstein-Barr-Viren aber lebenslang im Körper, verursachen aber meist keine Symptome. Wissenschafter schätzen, dass weltweit etwa 98 Prozent der Erwachsenen mit dem Epstein-Barr Virus infiziert sind.

In seltenen Fällen verursacht das Virus Krebs – am häufigsten Lymphome und Krebserkrankungen des Magens bzw. des Nasen-Rachenraums. Für die Forschung war es lange ein Rätsel, wie die Erreger die Zellen zu Krebs umprogrammieren. "Bislang haben wir nur für einige wenige Fälle eine Erklärung", sagt Henri-Jacques Delecluse vom Deutschen Krebsforschungszentrum. "Wir wussten nicht, auf welche Weise die Mehrheit der Tumoren entsteht."

Etwa zwei Prozent der Krebsfälle

In einer aktuellen Studie konnten Delecluse und seine Kollegen eine neue Erklärung dafür liefern. Die Wissenschafter zeigen erstmals, dass ein Proteinbestandteil der Viren die Krebsentstehung antreibt. Teilt sich eine EBV-infizierte Zelle, so verhindert das Virusprotein BNRF1 den ordnungsgemäßen Ablauf des Vorgangs. Es bilden sich häufig mehr als zwei Spindelpole (Zentrosomen). Daraus folgt, dass sich die Chromosomen nicht mehr gleichmäßig und akkurat auf beide Tochterzellen verteilen – eine bekannte und anerkannte Krebsursache, so die Forscher.

Epstein-Barr Viren, aus denen die Wissenschafter BNRF1 entfernt hatten, beinträchtigen die Chromosomenverteilung dagegen nicht. EBV, das zu den Herpesviren zählt, befällt im Körper B-Zellen der Immunabwehr und Schleimhautzellen des Mund- und Rachenraums. In den infizierten Zellen ruhen die Viren meist. Gelegentlich kurbeln sie aber ihre Vermehrung an, um Virus-Nachkommen zu produzieren, die benachbarte Zellen befallen. So kommen immer neue Körperzellen in Kontakt mit dem schädlichen Virusprotein BNRF1 und sind damit einem erhöhten Risiko ausgesetzt, zu entarten.

"Das völlig neue an unserem Ergebnis ist, dass wir erstmals ein Protein eines Virus als Krebstreiber enttarnt haben", sagt Henri-Jacques Delecluse. "Alle bislang untersuchten Tumorviren des Menschen lösen Krebs auf völlig andere Art aus: In der Regel muss Erbmaterial des Virus dauerhaft in der infizierten Zelle vorliegen, so dass Virusgene abgelesen werden, die dann die Krebsentstehung fördern." Etwa zwei Prozent aller Krebsfälle dürften den Forschern zufolge auf eine EBV-Infektion zurückzuführen sein. Das Fazit von Studienleiter Delecluse: "Wir müssen die Entwicklung einer Schutzimpfung gegen EBV vorantreiben. Nur damit lässt sich eine Ansteckung mit den Erregern verhindern." (red, 14.2.2017)