Die Volkswirtin Michaela Neumayr ist seit 2016 Assistenzprofessorin an der Wirtschaftsuniversität Wien.

Foto: A. Knecht

Wien – Welche Rolle spielt der Non-Profit-Bereich neben anderen Sektoren wie dem gewinnorientierten Markt im Staat? Welche gesellschaftlichen Funktionen erfüllen NPOs? Was braucht es, damit eine Zivilgesellschaft entstehen kann? Und was bewirken private Spenden und Philanthropie? Das sind einige der Fragen, denen sich die Wiener Volkswirtin Michaela Neumayr in ihrer Forschung und Lehre widmet. Seit vergangenem Jahr tut sie das im Rahmen ihrer Assistenzprofessur am Institut für Nonprofit-Management an der Wiener Wirtschaftsuniversität (WU).

"Man denkt bei NPOs meist an Dienstleistungen wie Kinderbetreuung oder Pflege alter Menschen", sagt Neumayr. Dabei erfüllen sie weit mehr Funktionen: "Sie vertreten auch die Interessen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen im Sinne einer Advocacy-Funktion." Und sorgen dafür, dass Gemeinschaften ähnlich gesinnter Menschen entstehen. Diese Funktionen beeinflussen sich gegenseitig, sagt die Volkswirtin: "Durch die Expertise, die ich habe, wenn ich eine Dienstleistung erstelle, weiß ich, was die Klientinnen und Klienten noch brauchen. Mit diesem Wissen kann ich politisch für sie eintreten."

Die Hand, die einen füttert

Wie steht es um die Unabhängigkeit von NPOs, an die der Staat Aufgaben auslagert, die er nicht übernehmen kann oder will? "Das Schlagwort dazu lautet Mission-Drift. Mich interessiert die Frage, ob die Art der Finanzierung einer NPO ihre Zielsetzung verändert – im Sinne des Spruches ‚Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht‘." Bei Kleinspenden konnte Neumayr diesbezüglich wenig Einfluss feststellen. "Da ist nicht genug Macht dahinter." Anders bei großen Spenden: "Es scheint so zu sein, dass über Großspenden die Inhalte der NPOs gewissermaßen mitbestimmt werden."

Generell ist der gesellschaftliche und politische Kontext maßgeblich dafür, ob NPOs eher systemunterstützend oder "opponierend" wirken. Im vergangenen Jahr arbeitete Neumayr an einer Studie zum gegenwärtigen Zustand von Zivilgesellschaft und NPOs in 16 Ländern Zentral- und Osteuropas mit. Bekanntlich hat die Zivilgesellschaft beim politischen Umbruch in der Region vor rund 25 Jahren eine zentrale Rolle gespielt.

EU fördert Zivilgesellschaft

Es habe sich gezeigt, dass für diese Organisationen danach internationale Unterstützung sehr wichtig war – die gibt es vor allem im Vorfeld des EU-Beitritts während des Assoziierungsabkommens. "Die EU macht an die nationalen Regierungen in dieser Phase Vorgaben, um Gesetze für die Zivilgesellschaft zu institutionalisieren. Etwa in Bezug auf Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit – beides Voraussetzungen für eine aktive Zivilgesellschaft." In Österreich gehen diese derzeit teilweise in Diskussion stehenden Freiheiten übrigens auf das Grundgesetz von 1867 zurück.

Eigentlich zog es die gebürtige Niederösterreicherin nach der Matura an eine Sozialakademie. Dort wurde sie aber nicht aufgenommen, und so entschied sie sich für das Studium der Wirtschaftspädagogik an der WU. Später folgte Volkswirtschaftslehre in Wien und München, beide Studien hat sie abgeschlossen. "Heute bin ich froh, dass ich an der Sozialakademie nicht genommen wurde", sagt Neumayr. "Langfristig hätte mich das beruflich sicher nicht glücklich gemacht." Was ihre jetzige Arbeit sehr wohl tut. (Lisa Mayr, 18.2.2017)