Mit speziellen Endoskopen wurden vor den Rodungen durch Löcher in den Bäumen nachgeforscht, ob sich Fledermäuse darin befinden.

Foto: Energie Steiermark

Graz – Die Sonne brachte es an den Tag. Seit einer Woche lag die Stadt in einer kalten Nebelsuppe gefangen, an diesem Dienstagmittag bricht bei einem Standard-Lokalaugenschein die Sonne durch und offenbart das kahlgeschorene Flussbett der Mur.

Am Rande des Ufers, dort, wo das gerodete Areal bis hinunter zur Kraftwerksbaustelle im Süden der Stadt gut zu überblicken ist, finden sich rasch Spaziergänger, Kraftwerksgegner und Anrainer zu kleinen Diskussionsrunden zusammen. Den einen blutet beim Anblick des gerodeten Murufers das Herz, die anderen, wie der ältere Herr mit den Gehstöcken, sehen es gelassen: "Woar eh nur schiaches G'stauder, wächst eh wieder nach." Die Gespräche in der kleinen Gruppe zeigen, wie groß der Informationsbedarf eigentlich noch ist. Ein Arzt des Bezirkes bestätigt, seine Patienten seien eigentlich alle gegen das Kraftwerk. Warum, wisse er auch nicht. "Viele sagen mir, sie kennen sich noch nicht aus."

Die Rodungen seien mittlerweile abgeschlossen worden, sagt Bauleiter Peter Klampfl. Nach Angaben der Energie Steiermark wurden 4,7 Hektar Baum- und Strauchbestand gerodet. 6,8 Hektar betrage die vorgeschriebene Aufforstungsfläche. Im direkten Stadtgebiet sei das Verhältnis der Aufforstung zur Rodung 2:3. Also für zwei gefällte Bäume müssten drei nachgepflanzt werden.

Wobei jeder Baum einen behördlichen "Herkunftsnachweis" benötige, sagt die Biologin des Energiekonzerns Sara Weiß. Das Wachsgebiet des Baumes müsse klar deklariert sein, er müsse aus dem "subillyrischen Hügelland" stammen.

25 Prozent für Verbund

Die Eigentümerverhältnisse des vom Landeskonzern Energie Steiermark projektierten 80 Millionen Euro teuren Kraftwerkes werden übrigens in Kürze neu geordnet. Ein Einstieg des Verbundes steht nach Standard-Informationen bevor. Entsprechende Beschlüsse des Aufsichtsrats liegen bereits vor. Der Verbund wird 25 Prozent übernehmen, für weitere 25 Prozent hat sich die Baugesellschaft Porr angemeldet.

Abseits der neuen Eigentümer-konstellation in der Gesellschaft muss sich die Biologin Sara Weiß um die Belange zu ebener Erd' hier auf dem Baustellengelände des Kraftwerkes kümmern. Sie dreht täglich mehrmals die Runden um die Baustelle und kontrolliert, gemeinsam mit externen Biologen, ob die vorgeschriebenen Auflagen – es sind insgesamt 99 Öko-Maßnahmen – umgesetzt werden. Soll heißen: ob die Baumstümpfe, in denen noch Reptilien vermutet werden, auch entsprechend mit Leuchtfarbe und einem "R" gekennzeichnet werden oder die Baumstämme für Fledermäuse ordentlich aufgestellt wurden. Sara Weiß weist beim Rundgang durch das Gelände auch auf die aufgehäuften Steinhaufen hin, die als Schutzraum für Reptilien gedacht sind. 30 sollen bis hinein ins Stadtgebiet errichtet werden.

Der Großteil der Tiere sei aber bereits abgesiedelt worden. "Wir haben seit dem Vorjahr zum Beispiel rund 750 Stück Nattern eingesammelt", sagt Weiß.

Eigene Endoskope

Penibel sei vor den Rodungen auch mit eigenen Endoskopen durch Löcher in den Bäumen nachgeforscht worden, ob sich Fledermäuse darin befinden. Für verbliebene Fledermäuse wurden Baumstämme aufgestellt.

Ein äußerst sensibles Kapitel des Murkraftwerkes betrifft das alte Lagerareal aus der NS-Zeit, unter dem womöglich noch Überreste von Opfern verscharrt sind. Lückenlos geklärt wurde es bisher nie, da niemand exakte Bodenuntersuchungen angeordnet hat. Das Bundesdenkmalamt ist aber mittlerweile alarmiert, das Gebiet, das zu einem Naherholungsgebiet ausgebaut werden soll, wird regelmäßig von Archäologen des Bundesdenkmalamtes auf etwaige Funde untersucht.

Im Herbst beginnt die Bauphase des Kraftwerkes, im Frühjahr 2019 die Aufstauung der Mur. (Walter Müller, 15.2.2017)