PIP hatte seine Brustimplantate statt mit Spezialsilikon mit billigerem Industriesilikon befüllt, die Polster reißen leichter und können Entzündungen auslösen.

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Luxemburg/Wien – Im Streit um mangelhafte Silikon-Brustimplantate aus Frankreich hat der Europäische Gerichtshof die Prüfpflichten von Zertifizierungsstellen präzisiert. Die Prüfstellen sind demnach nicht zu unangemeldeten Inspektionen verpflichtet. Bei Hinweisen auf Produktmängel müssten sie aber "alle erforderlichen Maßnahmen" zur Qualitätssicherung ergreifen, heißt es in der am Donnerstag veröffentlichten Entscheidung.

Ausgangspunkt der Verfahrens waren Betrugshandlungen des mittlerweile insolventen französischen Brustimplantat-Herstellers Poly Implant Prothese (PIP). Er befüllte seine Brustimplantate statt mit Spezialsilikon mit billigerem Industriesilikon, was zu Schäden an den Silikonpölstern führte. Französische Behörden stoppten 2010 den Vertrieb, weil sich Berichte über geplatzte oder undichte Silikonpölster häuften. Bis dahin hatten sich weltweit bereits zehntausende Frauen die Implantate einsetzen lassen.

Deutsches Gericht verwies an EuGH

Eine deutsche Klägerin ließ sich 2008 die Implantate einsetzen und nach den Warnungen der Behörden 2010 wieder entfernen. Sie forderte daraufhin vom TÜV Rheinland, der das PIP-Qualitätssicherungssystem zertifiziert hatte, 40.000 Euro Schmerzensgeld und machte geltend, dass der TÜV durch Einsichtnahme in Lieferscheine und Rechnungen hätte erkennen können, dass der Hersteller nicht das genehmigte Silikon verwendete. Der deutsche Bundesgerichtshof legte daraufhin den Fall wegen europarechtlicher Fragen dem Europäischen Gerichtshof vor.

Dessen Entscheidung zufolge ist eine Prüfstelle zu einer solchen Kontrolle erst verpflichtet, wenn sie Hinweise darauf hat, dass der Hersteller Qualitätsstandards nicht einhält. Ob die Klägerin damit Anspruch auf eine Entschädigung hat, hängt laut den Richtern nun davon ab, ab wann der TÜV Rheinland von den Pflichtverletzungen des Herstellers wusste.

Der TÜV hatte dazu erklärt, er sei von PIP ebenso wie die französischen Überwachungsbehörden jahrelang systematisch betrogen worden. Nach Bekanntwerden des Betrugs Ende März 2010 habe der TÜV die Zertifikate für PIP ausgesetzt und auch selbst Strafanzeige gegen PIP gestellt.

Österreich: Konsumentenschutz sieht vorerst "Erfolg"

Der TÜV begrüßte das Urteil und sieht sich in seiner Rechtsauffassung "in entscheidenden Punkten bestätigt". Man sei deshalb zuversichtlich, dass der deutsche Bundesgerichtshof und französische Gerichte nun zu dem Schluss kommen, dass der TÜV seine Aufgaben "im Einklang mit allen Gesetzen wahrgenommen" habe, sagte ein Sprecher am Donnerstag.

Der österreichische Verein für Konsumenteninformation sieht vorerst einen "Erfolg für die Opfer". Dabei handle es sich um eine vorläufige Einschätzung, sagte Juristin Ulrike Wolf am Donnerstag. Sie müsse noch das gesamte Urteil näher betrachten. Wenn nun Verletzungen seitens des TÜV vorliegen, weil es etwaige Hinweise auf Mängel gab, seien Schmerzensgeldtahlungen weiter möglich, so Wolf. Der VKI vertritt knapp 70 Geschädigte aus Österreich. So sollen Entschädigungen bis zu einem Höchstbetrag von 3.000 Euro erreicht werden. (APA, 16.2.2017)