Ein Zuhause zu haben ist nicht selbstverständlich. Für Menschen, die delogiert wurden, ist der Weg zurück in die eigene Wohnung oft weit.

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"Am Anfang ist man fast ein bisschen überfordert, weil niemand da ist", sagt Josef D. (Name geändert). Während er erzählt, sitzt der fast zwei Meter große Mann auf seinem Schlafplatz – einer Matratze, die auf dem Fußboden liegt. Auch sonst ist der Raum der Einzimmerwohnung sehr spärlich eingerichtet. Ein Faltschrank aus Kunststoff ist Aufbewahrung für Kleidung, ein Polstersessel und ein Stuhl dienen als Sitzgelegenheit. Ein Computer mit Tuch darauf wurde zu einem kleinen Tisch umfunktioniert.

Seit etwa einem Jahr wohnt D. in seiner Wohnung in Simmering. Zuvor war er wohnungslos, aber nicht ohne Bleibe. Sein Zuhause war anderthalb Jahre das Haus Siemensstraße von "wieder wohnen", einem Tochterunternehmen des Fonds Soziales Wien. Das Männerheim bietet betreute Unterkünfte für den Übergang, denn wer dort wohnt, wird stabilisiert, erklärt D. "Mit der Hilfe von Sozialarbeitern lernt man, dass man regelmäßig Miete zahlen muss und wie man sein Leben regelt." Ziel ist die (Re-)Integration in den Wohnungsmarkt.

Hürden für Wohnungslose

Wer sich im Wohnheim gut macht, bekommt die Chance auf eine eigene Wohnung. Organisiert wird diese von "wieder wohnen". Erste Anlaufstelle sind die Gemeindewohnungen der Stadt Wien. Um eine solche zu beziehen, müssen aber bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden.

Infrage kommt, wer sich seit nachweislich fünf Jahren in Wien aufhält und in den letzten zwei Jahren ständig an einer Wiener Adresse gemeldet war. Letzteres ist für die meisten das größte Problem, sagt Florian Rossmann von "wieder wohnen": "Wer delogiert wird, denkt nicht als Erstes daran, sich gleich wieder zu melden." Und auch Menschen aus den Bundesländern oder dem Ausland kommen für eine Gemeindewohnung nicht infrage. Für sie bleibt nur der freie Wohnungsmarkt. "Für jemanden, der von der Mindestsicherung lebt, ist es dort zwar nicht unmöglich, aber sehr schwierig, eine eigene Wohnung zu finden", so Rossmann.

Hohe Summen für Kaution, Provision und Miete selbst seien oft ein Problem, aber auch dass viele Vermieter Gehaltsnachweise sehen wollen. "wieder wohnen" unterstützt auch jene, die auf dem freien Wohnungsmarkt nach einem Zuhause suchen. Das Immobilienmanagement gebe Tipps, was man bei der Wohnungssuche beachten muss, und verrate Tricks dafür, erklärt Sabine Graf, Bereichsleiterin bei "wieder wohnen". Betroffene werden beraten, sie lernen etwa, wo man nach Wohnungen suchen kann oder worauf man bei einer Wohnungsbesichtigung achten muss. "Ähnlich wie bei einem Bewerbungstraining für einen neuen Job", sagt Rossmann.

Nicht die erste Wahl

Besonders leistbare Kleinwohnungen seien in Wien nicht zuhauf vorhanden und daher sehr begehrt. "Dazu kommt", so Graf, "dass Familien mit vielen Kindern oder Menschen, die von der Mindestsicherung leben, nicht unbedingt die erste Wahl vieler Vermieter sind, wenn es darum geht, die künftigen Mieter einer Wohnung auszusuchen."

Wer dann aber – wie Josef D. – wieder in der eigenen Wohnung lebt, steht oft vor der nächsten Herausforderung: sie auch langfristig zu halten. "Der viele Platz und der Umstand, dass man einen Rückzugsort hat, ist natürlich leiwand. Aber man muss in der eigenen Wohnung auch wieder Verantwortung übernehmen, das ist am Anfang schwer, da wird man nach der ersten Freude wieder etwas zurückgeworfen. Außerdem fehlt plötzlich die Gesellschaft, im Männerheim hatte ich immer Leute um mich. An die Situation muss man sich erst gewöhnen", sagt D.

Diese und ähnliche Umstände können die Betroffenen in Krisensituationen bringen, wie man bei "wieder wohnen" weiß. Deshalb unterstützt die Einrichtung "wohn:mobil" das Ankommen in den eigenen vier Wänden – etwa wenn es um Formalitäten, den Umzug, Behördengänge oder neue Kindergartenplätze geht. Bei Fragen oder Problemen können sich die ehemaligen Wohnungslosen auch nach dem Ende der Betreuungszeit – die nach dem Umzug meist sechs Monate dauert – noch an die Sozialarbeiter von "wohn:mobil" wenden. "Die Menschen sollen dadurch das Gefühl haben, dass sie nicht sofort auf sich allein gestellt sind", erklärt Rossmann.

Soziales Netz aufbauen

Und noch ein anderes Projekt soll dabei helfen, sich an das neue Leben zu gewöhnen. Die "Vufus" sind eine Gruppe ehemaliger Wohnungsloser, die sich in regelmäßigen Treffen miteinander austauschen. "Vufu" steht für "von uns für uns", Ziel des Projekts ist, Menschen in ähnlichen Situationen zusammenzubringen und ihnen die Möglichkeit zu geben, wieder ein soziales Netz aufzubauen und sich gegenseitig zu unterstützen.

Dabei ist der Zugang praktisch, im Mittelpunkt stehen gemeinsame Aktivitäten. Was unternommen wird, entscheiden die Teilnehmer selbst. "Wir waren bei Holiday on Ice, im Musical Evita, und aktuell arbeiten wir mit Designern aus dem Mak daran, eine Küche für wenig Geld zu entwerfen", erzählt Josef D.

Ein Mittel zum Zweck

Sich mit dem Möbelgeld, das er beantragt hat, eine Küche zuzulegen, steht neben der Jobsuche auf der To-do-Liste von D. Bisher gibt es in seiner Küche nur einen Wasserkocher und eine Zimmerpflanze. "Aber damit lasse ich mir Zeit, ich bin nicht so der 'Wohnmensch', der alles sofort einrichten will." Wohnen sei für ihn Mittel zum Zweck, "weil man halt ein Dach über dem Kopf braucht". Die nächste Anschaffung steht allerdings fest: "So einen 60×60 Zentimeter großen Couchtisch von Ikea kaufe ich mir demnächst."

Anderen in seiner Situation rät er, die vorhandenen Angebote anzunehmen: "Man darf sich nicht zu schade dafür sein, sich helfen zu lassen. Wer es nicht ausdrücklich will, die Voraussetzungen erfüllt und seine Finanzen halbwegs im Griff hat, muss in Wien nicht auf der Straße schlafen." D. selbst ist nach seiner letzten Delogierung nach zwei Wochen ins Männerheim gezogen und von dort in seine neue Wohnung. "Ich bin sehr zufrieden mit dem, was ich bekommen habe, bis auf die Raumhöhe würde ich nichts daran ändern", sagt D. grinsend und streckt dabei die Arme in die Luft. Noch bevor er sie ganz ausgestreckt hat, steht er damit schon an der Decke an. (Bernadette Redl, 18.2.2017)