Justizminister Wolfgang Brandstetter schickt das neue Strafrechtspaket in Begutachtung.

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Wien – Der bekannteste österreichische Staatsverweigerer ist Joe Kreißl. Der "Freeman" hat vor fünf Jahren dem Bundeskanzler, der damaligen Innenministerin, dem Obersten Gerichtshof und dem Land Oberösterreich eine "eidesstaatliche Verständniserklärung" geschickt. Inhalt des fünfseitigen Schreibens: Er sei ein "Mensch aus Fleisch und Blut und ein souveränes spirituelles Wesen der Schöpfung", das fortan keine Steuern mehr zahlen möchte und nicht damit einverstanden sei, "verwaltet oder regiert zu werden". Namen, Pass und Sozialversicherungsnummer wolle er aber behalten.

1.100 "Staatsfeinde"

Seither hat sich einiges getan in Kreißls Szene. Rund 1100 Personen, so schätzt das Innenministerium, müssten inzwischen als Anhänger einer "staatsfeindlichen Bewegung" eingestuft werden.

Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) hat am Montagvormittag nun das Strafrechtspaket in Begutachtung geschickt. Einer der Hauptpunkte des Gesetzesentwurfs, der dem STANDARD vorliegt, ist ein neuer Paragraf, der den Umgang mit Menschen regelt, die den Staat ablehnen: "Wer eine Bewegung gründet oder sich in einer solchen führend betätigt, die darauf ausgerichtet ist, die Hoheitsrechte der Republik Österreich, der Bundesländer oder der Gemeinden und ihrer Organe nicht anzuerkennen oder sich solche Hoheitsbefugnisse selbst anzumaßen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen", heißt es in dem Papier.

Keine gemeinsamen Strukturen

Derzeit gibt es nur eine gesetzliche Regelung gegen "staatsfeindliche Verbindungen". Mit dem neuen Gesetz wäre für eine strafrechtliche Verfolgung ein geringerer Organisationsgrad der handelnden Personen notwendig. Es müssten weder gemeinsame Strukturen vorhanden sein noch Kundgebungen oder Ähnliches abgehalten werden. Es reicht, wenn zumindest zehn Menschen die gleiche staatsablehnende Haltung teilen. Seit Mitte 2014 würden in Österreich vermehrt Bewegungen auftreten, die die Hoheitsrechte der Republik infrage stellen, steht in den Erläuterungen zum Gesetzestext.

Justizminister Brandstetter in der "Zeit im Bild 2"
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Darüber hinaus sieht der Begutachtungsentwurf vor, dass der Strafbestand der sexuellen Belästigung erweitert wird – eine Folge der Vorfälle zu Silvester in Innsbruck, wo Frauen von Gruppen junger Männer belästigt worden seien, heißt es seitens des Justizministeriums. Wer Teil einer Gruppe ist, die darauf abzielt, jemanden sexuell zu belästigen, der soll künftig mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden. Wer jemanden – mit zumindest einem Mittäter – aktiv sexuell belästigt, dem drohen bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe.

Legitime Notwehr

Außerdem soll für Opfer die gerechtfertigte Notwehr gegen "Angriffe auf die sexuelle Selbstbestimmung" im Strafgesetzbuch verankert werden. Bisher war diese nicht explizit geregelt. "Das bedeutet nicht nur mehr Schutz und Rechtssicherheit für die Opfer, sondern ist auch ein wichtiges Signal nach außen, dass die Achtung der Würde und der gegenseitige Respekt unverrückbare Eckpfeiler unserer Gesellschaftsordnung sind", sagt Brandstetter.

Dritter Hauptpunkt des Strafrechtpakets sind höhere Strafen auf tätliche Angriffe gegen Beamte. In letzter Zeit seien solche immer häufiger geworden. Bis zu zwei Jahre Haft sind in dem Gesetzesentwurf angedacht, wenn es zu einem Übergriff kommt.

"Auf Nase herumtanzen"

Grundsätzlich wird die Regelung für Angriffe auf jegliche Beamte gelten – also Polizisten genauso wie Lehrer. In erster Linie sei das Gesetz aber dafür da, Justizwachebeamte künftig besser zu schützen, heißt es im Justizministerium. "Damit setzen wir ein deutliches Zeichen, dass der Staat und die für ihn tätigen Menschen sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen", sagt Brandstetter.

Weiter aufgeschoben wurde die seit Jahren geplante Reform des Maßnahmenvollzugs. Im kürzlich beschlossenen neuen Regierungsprogramm wurde sie noch als Teil des Strafrechtspakets gelistet. Das sei ein "eigenes Themenfeld", die Reform werde "in den nächsten Wochen" präsentiert, heißt es seitens des Justizministeriums.

Fußfessel für Gefährder

Auch über Fußfesseln für sogenannte "Gefährder" – also Personen, die einer terroristischen Straftat verdächtigt werden – müsse erst noch diskutiert werden. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wird derzeit im Innenministerium ausgearbeitet, heißt es dort. Ein Zeitpunkt, wann dieser fertig ist, könne noch nicht genannt werden. (Katharina Mittelstaedt, 20.2.2017)