Wien – Wenig ist das echt nicht, was der Sammler und Kunsthändler Helmut Klewan da in die Orangerie des Belvedere transportieren ließ: 193 Werke mussten innerhalb von nur zwei Tagen ihren Platz an der Wand (oder, so es sich um eine der wenigen Skulpturen handelt: im Raum) finden.

"Schamhaarlockenwickler" (1968) von Christian Ludwig Attersee: Die persönliche Freundschaft zu Künstlern bestimmt über weite Teile die private Kollektion des Kunsthändlers und Sammlers Helmut Klewan.
Foto: Sammlung Klewan

Gratulation dem Kurator Harald Krejci. Es ist ihm gelungen, Klewans kunterbunte Bilderwelt ebenso kunterbunt zu präsentieren: Die über weite Strecken sogenannte St. Petersburger Hängung – dicht an dicht bis an die Decke – entspricht der Fülle an Stilrichtungen, Künstlern, Epochen und Qualitäten. Klassische Moderne, Zeitgenossen, Genremalerei aus dem späten 19. Jahrhundert, Figuratives, Abstraktes, Expressives, Poppiges, Art brut, Informel, Surrealismus, alles da.

Nur die minimalistische und konkrete Kunst fehlt, es sei denn, man zählt einen wunderbaren frühen Hans Staudacher – Ich lerne (1955, Öl auf Schultafel) – zur Minimalismusfraktion; oder Al Hansens Zen-Zirkel; oder schließlich auch Bertrand Laviers silbrig-monochrom übermalten Spiegel. "Den liebe ich, den Bertrand!", lässt Klewan, der Kunst- und Künstlerfreund, wissen: "Er ist mir bei der letzten Documenta aufgefallen, die ich besucht habe. Er hat einen Mercedes übermalt, die Heizkörper übermalt, und das war von der Malfaktur so angenehm synästhetisch. Ich mag ja Süßspeisen, und das war für mich wie Cremeschnitten!"

Cremeschnittenüppig

In der Tat, was einem in der Orangerie entgegenknallt, ist ein cremeschnittenüppiger Augenschmaus, zubereitet von einem Kunstsüchtigen, der Bilder und Objekte in aberwitzigen Mengen zusammengetragen hat. Das hat was, nur nicht Methode. Aber Klewan muss, anders als ein Museum, auch keine Lücken schließen – es sei denn die an seinen eigenen vier Wänden.

Und so kommt Unglaubliches und unglaublich vieles zusammen: Gauguin, Picasso, Schwitters, Rodin, Gaston Chaissac, de Chirico, Otto Dix, Max Ernst, Bacon, Beuys, Nolde, dazu Nitsch, Rainer, Rühm, Muehl, Kubin, Bourgeois und noch jede Menge atemberaubender Kunstweltstars, flankiert von entdeckenswerten Unbekannten und unbekümmert garniert mit, ja, gnadenlos grellen Kitschisten – Letztere vielleicht auch trotzige Reminiszenz an seine Eltern, die in ihrer Galerie Otto vornehmlich salonmalerische Flachware im Angebot hatten.

Klewan, Jahrgang 1943, sperrte seine erste, von Luigi Blau gestaltete Galerie 1970 in Wien auf, ehe er 1977 der besseren Geschäfte wegen nach München übersiedelte. Angeblich bot er diese Sammlungspräsentation – erfolglos – schon dem Mumok und dem Leopold-Museum an. Erst die frühere Belvedere-Chefin Agnes Husslein hatte offene Ohren und Augen für diesen ebenso atemlosen wie persönlichen Parcours durch die Kunst des 20. Jahrhunderts.

Die Sammlung ist ein kulturhistorisch interessanter Rückblick in eine männliche Kunstwelt. Unter 69 Künstlern befinden sich gezählte sieben Frauen, darunter Meret Oppenheim, "das Meretlein", das "immer sehr, sehr lieb war" (Klewan). Und, natürlich, Maria Lassnig. An ihrem internationalen Erfolg war auch Klewan maßgeblich beteiligt. Selbst heute, wenn er etwa in einer Wiener Galerie bei einer Lassnig-Vernissage auftaucht, ist er mit Foldern zu seinen eigenen Lassnig-Aktivitäten, sagen wir, nicht geizig. Überhaupt, Folder und Einladungen hat er immer eingesteckt, weil: Man kann ja nie wissen.

Das Beste kommt übrigens wie so oft auch im Belvedere zum Schluss. Denn die (fast) einzigen Bewohner des letzten Kabinetts sind betörende Skulpturen und Ölbilder von Alberto Giacometti, einem von Klewans Lieblingen. Nur Lassnig ist – mit einem Bild – Mitbewohnerin.

Untertitel der Ausstellung ist übrigens Porträt(s) der Moderne, davon gibt es denn auch vielgestaltige Beispiele in Fülle und teilweise in Weltklassequalität – aber eben nicht nur. Vor allem nämlich ist Klewans Sammlungsschau – auch – ein vielgestaltiges Porträt eines Kunstjahrhunderts. (Andrea Schurian, 21.2.2017)