Weite Teile der Wiener Innenbezirke sind Schutzzonen. Manch Aufstockung oder Neubau lässt architektonische Ästhetik vermissen.

FoTO: APA/HERBERT NEUBAUER

Anlass für einen kritischen Blick auf die Wiener Stadtplanung gibt es weiß Gott genug. Dazu braucht es nicht die wieder in Diskussion geratenen Projekte Eislaufverein oder das Winterthur-Gebäude am Karlsplatz. Während hier denkmalpflegerische Aspekte (Weltkulturerbe und Karlskirche) im Vordergrund stehen, geht es bei zahlreichen anderen Fällen um das Stadtbild im Allgemeinen und (halbwegs) ansprechende Ästhetik im Besonderen. Eines ist diesen Projekten aber gemeinsam: das massive wirtschaftliche Interesse von Investoren, und dem gegenüber das Unverständnis, das Unvermögen oder – womöglich noch übler – eine Mitbeteiligung der Stadtplanung.

Die Denkweise der Bauwirtschaft konnte nicht besser als von einem Vertreter derselben im Kommentar der anderen – "Architekten auf Abwegen", im STANDARD vom 23. Dezember – dargestellt werden. Da mokiert sich Klaus Wolfinger, der Koordinator der Projektentwicklung Hotel Intercontinental & Wiener Eislaufverein, unter anderem über die Beschwerde von Architektin Hemma Fasch, die Unterlagen für die entscheidende Sitzung des Fachbeirats für Stadtplanung und Stadtgestaltung seien (da erst eine Woche zuvor) zu spät zugestellt worden.

Der Fachbeirat, dem Fasch angehört, hat bekanntermaßen das Projekt Eislaufverein nur "mehrheitlich" befürwortet. Wolfinger geht offensichtlich nicht davon aus, dass Mitglieder des Beirats solche Dokumente auch tatsächlich überprüfen. Den Stellenwert des Beirats lediglich als (gegebenenfalls unerwünschtes) Feigenblatt zeigt der Umstand, dass Bürgermeister Michael Häupl und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou bereits am Tag vor der Bekanntgabe der Stellungnahme desselben grünes Licht für Abriss und Neubau gaben.

Spielraum für Interpretationen

Weite Teile der Innenbezirke sind als Schutzzonen definiert und unterliegen damit der Kontrolle der MA 19 (Architektur und Stadtgestaltung). Die MA 19 hat demnach auf die "Erhaltung des charakteristischen Stadtbildes, betreffend seine natürlichen Gegebenheiten, seine historischen Strukturen, seine prägende Bausubstanz, und die Vielfalt der Funktionen" zu achten.

Die Definition dieser Vorgaben lässt schon erheblichen Spielraum für Interpretationen zu. So beantwortete die MA 19 unsere Kritik am Bauprojekt Servitengasse 3 wie folgt: "Die zeitgemäße Aufstockung (Anmerkung: ein in Gold gefasstes, grobschlächtiges Fensterband und ein ebenso abstoßender Dachausbau) widerspricht nicht der Schutzzone, da die Ablesbarkeit der historischen Gebäude weiterhin gegeben ist. Die historische Bausubstanz ist demnach erhalten geblieben". Treffen die erwähnten Vorgaben der Stadterhaltung auch auf das Projekt Renngasse 10 zu, wo anstelle des bereits abgerissenen Gebäudes der ehemaligen Investkredit-Bank ein die Gratiszeitung "Heute" "an New York erinnernder 'Trump Tower' entstehen soll: Goldfassade, Türsteher, Fitness-Center", laut Werbung "ein Flair wie auf der Park Avenue". Der geplante Neubau schafft vielleicht "The Donald"-, nicht aber "Park Avenue"-Standards.

Architektonische Ästhetik?

Wer durch Österreichs Landschaften fährt, muss feststellen, dass weiten Teilen der Bevölkerung jeder Sinn für Proportionen, Farben, somit insgesamt architektonische Ästhetik, abhanden gekommen ist. Dies trifft leider auch für die Wiener Stadtplanung sowie die zuständigen Beamten der MA 19 zu. (Brigitte Huck, Sigismund Huck, 21.2.2017)

PS: Der Blog "Wie(n) hässlich" zeigt nach dem Motto "Auch Scheußliches verdient Beachtung" zahlreiche weitere Bausünden, darunter auch die Servitengasse 3. Den Betreibern des Blogs ist das bereits im Bau befindliche Projekt Renngasse 10 allerdings noch nicht ins Visier geraten.