Es wäre der Beginn einer sich fortsetzenden Beschädigung des historischen Zentrums, wenn das Heumarkt-Areal gemäß den Intentionen des Investors verbaut würde. Der vom Entwickler Wertinvest geplante hypertrophe Baukörper überschreitet weit die Grenzen des angemessenen Bauens. Die überzogene Kubatur kann auch nicht dahingehend argumentiert werden, dass ja schon in den 60er-Jahren mit dem Hotel Intercontinental groß gebaut werden konnte. Das am Stadtpark gelegene Hotel wird heute städtebaulich kritisch gesehen. Die Möglichkeit einer entsprechenden Korrektur im Zuge der von Wertinvest geplanten Neuüberbauung des Areals blieb ungenutzt. Das geplante neue Hotelgebäude ist sogar noch viel schlimmer.

Unzulässige Höhen

An dieser Stelle ist für die laufende Diskussion eine Klarstellung notwendig. Die Qualität von Bauten kann nur bei Berücksichtigung ihres Zusammenwirkens mit ihrem Standort richtig beurteilt werden. Vergleiche mit entfernt gelegenen Objekten nur auf der Basis von Gebäudehöhen sind unsinnig. Beim Heumarkt-Projekt des Projektentwicklers Wertinvest gilt die Kritik nicht nur den (unzulässigen) Höhen des Hotels und des für Luxuswohnungen vorgesehenen "Turms". Es ist die Unverhältnismäßigkeit der Gebäudemassen, die irritiert.

Man kann von einem Investor, der ein schlechter Investor wäre, wenn er keinen Gewinn machte, nicht verlangen, dass er ein Kulturverständnis hat. Man kann von ihm auch nicht erwarten, dass er in kulturellen Belangen ein Bewusstsein seiner gesellschaftlichen Verantwortung hat (in der Projektjury saßen unter anderem Markus Allmann / München, Kai-Uwe Bergmann / Kopenhagen, Guido Hager / Zürich, Rainer Köberl / Innsbruck, Thomas Madreiter / Planungsdirektor der Stadt Wien, Franz Kobermaier / Leiter MA 19, Wilfried Kühn / Berlin, Regine Leibinger / Berlin, Rudolf Scheuvens / Dortmund und Wien, Erich Steinmayr / Feldkirch, Anm.). Aber von einer Stadt wie Wien kann man beides erwarten und auch, dass sie Investoren Grenzen setzt!

Da es die Stadt Wien beim privaten Immo-Entwicklungsprojekt "Heumarkt-Areal" versäumt hatte, bereits im Vorfeld mit rechtsverbindlichen Richtlinien Grenzen zu setzen, geraten die Stadtverantwortlichen durch den anhaltenden Druck seitens des Investors zunehmend in Zugzwang. Eine baldige politische Entscheidung der rot-grünen Stadtregierung zugunsten des Investorenprojekts ist zu befürchten. Der Verfasser dieses Beitrags hofft, dass der nachstehende Vorschlag, der für alle involvierten Parteien attraktiv sein müsste, nicht zu spät kommt.

Der hier vorgeschlagene Neustart der Planung für das Heumarkt-Areal setzt voraus, dass für den Wiener Eislaufverein (WEV) ein passender Standort außerhalb des Heumarkt-Areals im Stadtpark zur Verfügung steht. Gefunden würde dieser etwa im nördlichen oder nordöstlichen Teil des Stadtparks, entweder in Nähe des Mak oder in Nähe der schon bestehenden Freizeitanlagen entlang der Straße Am Heumarkt. Eine örtlich begrenzte Überbauung der Wien ist eine weitere Möglichkeit.

Die Planung der baulichen Nutzung des Heumarkt-Areals kann nochmals neu beginnen, nachdem ein alternativer Standort für die "Teleportation" des WEV zur Verfügung steht und er vom WEV akzeptiert wurde. Für den Abbruch des Hotel Intercontinental gibt es bereits einen positiven Bescheid. Das Ziel des mit diesem Kommentar empfohlenen Neuanfangs ist eine völlig neu gedachte, architektonisch qualitätsvolle und differenzierte Überbauung des Heumarkt-Areals zwischen Konzerthaus, Lothringerstraße, Johannesgasse und Am Heumarkt, deren Elemente sich dort, wo es angezeigt ist, in ihren räumlichen Dimensionen an den gründerzeitlichen Bauten der Lothringerstraße orientieren.

Die vorgeschlagene Lösung ist nicht nur im Interesse Wiens, sondern auch in dem des Investors. Selbst bei einer deutlichen Redimensionierung des Hotels und des "Turms" wird das erlaubte Ausmaß des umbauten Raums in Summe größer sein als beim aktuellen infrage gestellten Entwurf. Das Rathaus wäre gut beraten, dem Überbauungsprojekt "Heumarkt-Areal" eine zweite Nachdenkpause zu verordnen, während welcher die Möglichkeit einer Verlegung des WEV geprüft wird.

Die Dramatik der hier sehr kritisch gesehenen Vorgänge am Wiener Heumarkt erinnert den Verfasser dieses Kommentars an eine ähnliche Situation im Basel der 60er-Jahre, in der Zeit seines Studiums. Auch damals ging es um ein heftig umstrittenes Hochhaus im historischen Zentrum, um eine Erweiterung des Bürgerspitals, wobei die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger Basels, anders als jene Wiens beim Heumarkt-Projekt, in dieser Frage von Anfang an eingebunden waren und die abschließende Entscheidung treffen konnten. (Dieter Schweizer, 21.2.2017)