Sechs Jahre nach der Revolution in Libyen regiert das Machtvakuum.

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Ägyptens Präsident Abdelfattah al-Sisi und sein Armeechef Mahmoud Hijazi müssen einen diplomatischen Misserfolg kaschieren. In einer wortreichen Mitteilung erklärten sie vergangene Woche, zwischen Libyens General Khalifa Haftar und dem Vorsitzenden des international anerkannten Präsidialrates Fayaz Serraj seien in vier Punkten Gemeinsamkeiten zur Lösung der libyschen Krise ausgemacht worden.

Tatsächlich ist die ägyptische Vermittlung fehlgeschlagen. Die beiden Kontrahenten waren zwar vergangene Woche gleichzeitig in Kairo. Den Ägyptern gelang es aber nicht, sie an einen gemeinsamen Tisch zu bringen. Haftar, der den Großteil der Militärkräfte im Osten des Landes kontrolliert, hatte durchblicken lassen, dass er keine Vorschläge diskutiert, die die von ihm geführten Streitkräfte, die er nationale Armee nennt, einer politischen Kontrolle unterstellt hätten.

Eigener Fahrplan

Serraj erklärte, Haftar hätte es abgelehnt, ihn zu treffen. Er warnte, dass ohne politische Lösung die Bevölkerung noch mehr leiden werde, und kündigte an, in den kommenden Tagen einen eigenen Fahrplan vorzulegen. Um die totale politische Blockade zu beenden, müsste das politische Abkommen von Shkirat vom Dezember 2015, das nie umgesetzt wurde, angepasst werden. Dass General Haftar eine Rolle in Libyens Zukunft spielen muss, wird inzwischen auch von allen internationalen Akteuren akzeptiert. Haftar will diese Rolle aber selbst definieren und entscheiden, wie die künftige Armee aussehen und wer ihr angehören soll.

Auf ein persönliches Treffen zwischen Haftar und Serraj, die starken Männer der beiden Machtblöcke im Osten und im Westen, waren große Hoffnungen gesetzt worden. Vor allem um die Lage in Tripolis zu entspannen, wo sechs Jahre nach dem Sturz der Gaddafi-Diktatur der Streit um die Kontrolle zwischen verschiedenen Milizen – manche tief verstrickt in kriminelle Aktivitäten aller Art – immer explosiver wird. Am Montag ist auf die Wagenkolonne von Serraj geschossen worden. Er blieb unverletzt. Der Vorfall zeigt aber einmal mehr, welchen Widerständen die von den Vereinten Nationen unterstützte Einheitsregierung ausgesetzt ist.

Symbolische Eröffnung

In Tripolis wurde unterdessen symbolträchtig am Tag der Revolution des 17. Februar der internationale Flughafen von Tripolis wieder eröffnet. Für die Reparatur der Bürgerkriegsschäden hatte Khalifa Ghwell, der Chef der nicht anerkannten Regierung von Tripolis – das heißt der dritten neben jener von Serraj und jener in Tobruk – gesorgt. Wann und ob auch je ein ausländisches Flugzeug starten oder landen wird, ist eine andere Frage. Denn die Flughäfen sind ein zentrales Element des Machtkampfes. In Tripolis wird derzeit in beschränktem Umfang vom alten Militärflughafen Mitiga geflogen.

Seit Mitte Oktober versucht Ghwell, die international anerkannte Regierung von Fayez Serraj aus der Hauptstadt zu verdrängen, weil sie seiner Meinung nach nichts erreicht hat. Vor wenigen Tagen hat Ghwell auch eine neue militärische Formation, genannt Libysche Nationalgarde, formiert. Sie besteht zum großen Teil aus Kräften aus Misrata und einigen Amazigh-Kämpfern (Berbern). Sie wollen nach eigenen Angaben gegen die Terrormiliz des Islamischen Staat (IS) kämpfen, staatliche Einrichtungen und diplomatische Missionen schützen und die Revolution des 17. Februar verteidigen. Die Serraj-Regierung nennt sie ungesetzlich und wirft ihnen vor, einen parallelen Sicherheitsapparat aufbauen zu wollen. Die Uno und das US-Außenministerium zeigten sich besorgt und warnten, dass die fragile Sicherheitslage in Tripolis weiter destabilisiert werden könnte. In den vergangenen Wochen kam es regelmäßig zu bewaffneten Auseinandersetzungen rivalisierenden Milizen in mehreren Stadtteilen.

Die Folge dieses Chaos ist ein politisches Machtvakuum, indem sich auch niemand für die Flüchtlingsproblematik verantwortlich fühlt. Am Dienstag wurden laut Rotem Halbmond in Zawiya, 45 Kilometer westlich von Tripolis, erneut 74 Leichen von Migranten an Land geschwemmt. Die Opfer stammten größtenteils aus afrikanischen Ländern südlich der Sahara. Im vergangenen Jahr wagten mehr als 180.000 Flüchtlinge die gefährliche Überfahrt von Libyen aus. Mehr als 5000 ertranken laut der Internationalen Organisation für Migration im Mittelmeer – die höchste je verzeichnete Opferzahl. (Astrid Frefel aus Kairo, 22.2.2017)